Meldung 07. März 2025

Die Zahnmedizin in Deutschland ist sehr leistungsfähig, betont der Präsident der Bundeszahnärztekammer Prof. Dr. Christoph Benz – auch dank der Innovationen, die die Private Krankenversicherung schnell in die Versorgung bringt.

Video Thumbnail

Herr Prof. Benz, im zurückliegenden Wahlkampf spielte die Gesundheitspolitik eine untergeordnete Rolle. Woran liegt das? Besteht hier kein Handlungsbedarf?

Nein, ganz sicher nicht. Die Finanzierung ist wirklich ein riesen Thema. Die Säulen unseres sozialen Systems erscheinen ähnlich einsturzgefährdet wie die Carola-Brücke in Dresden. Da muss wirklich viel passieren. Ich wünsche mir jetzt mal Ehrlichkeit, dass man der Bevölkerung sagt, wo wir tatsächlich stehen. Ich glaube, die würde es auch vertragen.

Welche großen gesundheitspolitischen Themen sollte eine neue Bundesregierung als Erstes angehen?

In den Wahlprogrammen aller Parteien steht, jetzt wieder auf die ambulante Praxisversorgung zu setzen mit Hausärztinnen und -ärzten im Fokus einer zukünftigen Gesundheitspolitik. Dabei müssen wir natürlich daran denken, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen auch Lust haben müssen, eine Praxis zu begründen. Und da ist leider die Bürokratie ein ganz großer Hemmschuh. Es wäre wirklich gut, wenn wir endlich mal etwas mehr Vertrauen wagen. Das haben wir lange verdient. Gerade in der Gesundheit waren wir Musterschüler während der Corona-Pandemie. Ich denke, da brauchen wir keine Nachhilfe durch irgendwelche Leute, die sich am grünen Tisch irgendetwas überlegt haben.

Wir haben uns in der Zahnmedizin von der Kreisliga in die Champions League gearbeitet.

Prof. Dr. Christoph Benz , Präsident der Bundeszahnärztekammer

Welche Stärken sehen Sie im deutschen Gesundheitswesen?

Die Zahnmedizin in Deutschland hat sich in 35 Jahren von der Kreisliga in die Weltliga der Mundgesundheit, in die Champions League gearbeitet. Wir sind also wirklich Weltmeister, was Mundgesundheit angeht. Ich denke, da sind wir in Deutschland sehr leistungsfähig.

Womit hängt die Leistungsfähigkeit zusammen? Ist das die Ausstattung in den Praxen? Oder eine regelmäßige Einbestellung?

Wir haben auf der einen Seite die Mainstream-Versorgung im GKV-Bereich, die in Deutschland sehr gut ist. Wir haben aber auf der anderen Seite über die privaten Versicherer auch die Möglichkeit, auf sehr kurzem Weg modernen Fortschritt in die Praxen zu bringen. Geräte, Konzepte, Technologien, die dann aber auch zum Beispiel durch die private Zusatzversicherung allen zur Verfügung stehen.

Was bedeutet unser duales Versicherungssystem aus GKV und PKV für die Therapiefreiheit der Zahnärztinnen und Zahnärzte?

Wir müssen uns nicht an irgendeinem Katalog orientieren, der mal definiert wurde, sondern wir können uns an dem medizinischen Fortschritt orientieren. Und das macht sehr viel Sinn, weil wir hier auf kurzem Weg – und das ist ein großer Vorteil des PKV-Systems – neue Themen diskutieren können, ohne die Bürokratie, die im GKV-System automatisch vorhanden ist und die natürlich eine lange Zeitschiene produziert. Da sind wir also sehr viel schneller. Und wir können diese Dinge sinnstiftend für unsere privaten Patienten, aber eben auch für die GKV-Versicherten umsetzen. Für mich ist das weniger Dualismus, der immer auch Gegensatz beinhaltet, als mehr eine Symbiose, die allen nützt.

Beispiel Parodontitis-Behandlung: Die Diskussion dauerte in der PKV so viele Wochen wie in der GKV Jahre.

Prof. Dr. Christoph Benz , Präsident der Bundeszahnärztekammer

Wo haben sich Behandlungsmethoden oder Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung durchgesetzt, die zuerst von der PKV erstattet wurden? Können Sie Beispiele nennen?

Das ging los mit der Prävention, das ist unser ganz großer Erfolg. Das ist ein Konzept, was sich mittlerweile bei allen Patienten segensreich zeigt. Das ist die Wurzelkanalbehandlung, das sind die implantologischen Leistungen. Ich erinnere mich mit großer Freude zum Beispiel an die Parodontitis-Behandlungsstrecke, die in der PKV-Diskussion so viele Wochen gebraucht hat, wie wir im GKV-Bereich Jahre gebraucht haben. Das ist schon ein sehr schneller, sehr effizienter Weg.

Welche Bedeutung haben die Privatversicherten für die Finanzierung der Praxen?

Sie geben uns Spielräume, weil Verfahren schnell eine Relevanz bekommen und sich die Kolleginnen und Kollegen schnell auf diese Verfahren fortbilden. Das ist ja auch wichtig, und das tun sie in großem Maße. Und schließlich setzen sie Konzepte, Geräte und Technologien um, die dann auch wieder anderen Patienten zur Verfügung stehen.

Schauen wir nach vorn: Ist eine flächendeckende, wohnortnahe zahnmedizinische Versorgung in Deutschland gesichert?

Wir haben einen gewissen Trend zur angestellten Medizin gehabt, der auch lange von der Politik und allen anderen gesellschaftlichen Gruppen unterstützt wurde. Mittlerweile merken wir, dass die angestellte Medizin leider gar nicht so leistungsfähig ist, wie wir immer gedacht haben. Und jetzt kommt dieser Rollback, den man auch in den Parteiprogrammen sieht: Man traut der Praxis wieder sehr viel zu. Das ist ein sehr gutes Zeichen für unsere jungen Kolleginnen und Kollegen. Gleichzeitig glaube ich, dass die Zahnmedizin einen großen Vorteil hat: Sie ist das einfachste Start-up überhaupt. Wir können das klein machen, wir können das groß machen, wir können im ländlichen Raum sein, wir können in der Stadt sein. Ich habe da sehr gute Hoffnung, dass der Nachwuchs das jetzt wieder begreift. Gerade auch, wo Deutschland wieder erkennt, dass man vielleicht nicht mit der Vier-Tage-Woche in Teilzeit dieses Land nach vorne bringt, dass man sich auch wieder engagieren und selbstständig sein möchte. Deswegen bin ich da sehr optimistisch.


Interview-Serie „Starke Stimmen - starkes Gesundheitssystem"

Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über Herausforderungen und Lösungen für das Gesundheitssystem

  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail
  • Video Thumbnail