Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins seit 2022 von null auf zwischenzeitlich 4,5 Prozent angehoben. Wir haben mit Holger Eich, Geschäftsführer und Chef-Mathematiker im PKV-Verband, darüber gesprochen, welche Folgen die Zinswende für die Beitragskalkulation in der PKV hat.
Herr Eich, wie haben sich die seit 2022 gestiegenen Zinsen auf die Private Kranken- und Pflegeversicherung ausgewirkt?
Eine Zins-Anhebung wirkt sich grundsätzlich sofort auf die Berechnung des sogenannten aktuariellen Unternehmenszinses – oder kurz: AUZ – aus. Allerdings beeinflusst der Zinssatz der EZB zunächst nur kurzfristige Anlagen und ist damit nur einer von vielen Faktoren des AUZ.
Welche Funktion hat der AUZ und wie wirkt er sich auf die Beiträge aus?
Der AUZ ist der unternehmensindividuelle Höchstrechnungszins. Das heißt, bei einer Beitragsanpassung oder bei Kalkulation eines neuen Tarifs darf das Unternehmen keinen höheren Rechnungszins festlegen. Der Rechnungszins wiederum beeinflusst die Beitragshöhe. Denn er gibt vor, welche Erträge das Unternehmen am Kapitalmarkt in der Zukunft erwartet. Je höher diese Erträge sind, desto weniger Beiträge sind erforderlich, um die Versicherungsleistungen zu garantieren und die Alterungsrückstellungen aufzubauen. Kurz gesagt gilt das Grundprinzip: Je höher der Zins, desto geringer die Beiträge.
Wer berechnet den AUZ?
Das machen die Unternehmen selbst. Grundlage dafür ist eine Richtlinie der Deutschen Aktuarvereinigung. Ziel ist es, einen Zins zu berechnen, der auch für die nächsten zwei Jahre sicher zu erwarten ist. Die Ergebnisse dieses Verfahrens werden auch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemeldet.
Warum ist der AUZ in jedem Unternehmen unterschiedlich hoch?
Jedes Unternehmen hat eine andere Kapitalanlagestruktur. Für die Berechnung des AUZ ist die individuelle Mischung der Anlagen und deren Entwicklung in den vergangenen Jahren ausschlaggebend. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn ein Unternehmen nur Aktien hätte, wäre der Zins ein anderer als wenn es ausschließlich Pfandbriefe des Bundes im Portfolio hätte. Und dann gibt es eben noch die kurzfristigen Anlagen, auf die sich der Leitzins der EZB auswirkt.
Heißt das, die EZB-Zinserhöhungen hatten nur eine geringe Wirkung?
Die Anhebung der Zinsen hilft auf jeden Fall, denn sie hat den Trend geändert. Viele Unternehmen haben mittlerweile die Talsohle erreicht oder bereits durchschritten. Bei immer mehr Versicherern beobachten wir mittlerweile steigende AUZ-Werte. Es ist ja so, dass der AUZ trotz einer historische langen Niedrigzinsphase bis 2022 nur sehr langsam abgesunken ist. Trotz einer jahrelangen Nullzins-Politik lag die Durchschnittsverzinsung der Branche nie unter 2 Prozent. Das zeigt, wie sorgfältig die Unternehmen das Geld ihrer Versicherten angelegt haben. Die PKV-Unternehmen legen das Kapital überwiegend sehr langfristig an. Das hat nun natürlich zur Folge, dass ein steigender Zins sich im AUZ auch erst nach und nach zeigt. Im vergangenen Jahr lagen wir schon wieder bei 2,75 Prozent. Und für kurzfristig freiwerdendes Geld wird die Situation nun natürlich noch komfortabler.
Kommt die Zinsänderung bei den Versicherten an?
Die Entlastung durch einen höheren Zins kommt auf jeden Fall bei den Versicherten an. Darauf achten auch die Treuhänder. Eine andere Frage ist, ob die Kunden das auch in Form einer Beitragssenkung spüren. Das hängt von der Gesamtentwicklung ab. Wir beobachten derzeit einen deutlichen Anstieg bei den Leistungsausgaben – insbesondere in den Bereichen Krankenhaus und Arzneimittel. Wir sehen damit also eine ähnliche Entwicklung wie die gesetzlichen Kassen. Deswegen erwarten wir Beitragssteigerungen im Jahr 2025. Im Zweifel wird ein höherer Zins jedoch eine notwendige Beitragserhöhung mindern.