Meldung 17. Juli 2023

Viele ländliche Regionen in Deutschland leiden unter Ärztemangel. Welche Rolle die Private Krankenversicherung dort für die medizinische Versorgung spielt, war ein Thema auf der Veranstaltung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw).

Eine gute und wohnortnahe Versorgung mit Gesundheits- und Pflegeleistungen ist ein wichtiger Standortfaktor. Das wurde auf dem jüngsten Online-Kongress der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. zur Gesundheitsversorgung in der Region Oberpfalz deutlich. „Regionen, die über eine ungenügende allgemein- und fachärztliche Versorgung verfügen, sind auch für die Ansiedlung von Unternehmen unattraktiv“, sagte vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Für ansässige Betriebe sei es schwer, Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten, wenn eine wohnortnahe Versorgung mit Ärzten und Krankenhäusern fehle. Angesichts der alternden Gesellschaft und dem sich verschärfenden Fachkräftemangel werde dieser Faktor an Bedeutung gewinnen, gab Brossardt zu bedenken – gerade in einem Flächenland wie Bayern.

Für ansässige Betriebe ist es schwer, Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten, wenn eine wohnortnahe Versorgung mit Ärzten und Krankenhäusern fehlt.

vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt

Privatversicherte stützen die ambulante Versorgung in Bayern

Die Private Krankenversicherung (PKV) trägt insbesondere in den ländlichen Regionen im hohen Maße dazu bei, die flächendeckende medizinische Versorgung zu sichern. Das zeigen aktuelle PKV-Regionaldaten für die Oberpfalz. Im Durchschnitt erzielen die Arztpraxen und andere ambulant-ärztliche Versorgungszentren dort 20,4 % ihrer Einnahmen aus der Behandlung von Privatversicherten, obwohl in der Oberpfalz nur 10,7 % der Menschen privatversichert sind.

Ein besonders relevanter Teil der Einnahmen der Arztpraxen sind die PKV-typischen sogenannten Mehrumsätze. Sie entstehen, weil es für die Behandlung von Privatpatienten weniger Budgetbeschränkungen und meist höhere Honorare gibt als in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der PKV-typische Mehrumsatz beträgt im Freistaat Bayern insgesamt rund 2,01 Mrd. Euro pro Jahr. Auf die Oberpfalz entfallen davon 154,1 Mio. Euro pro Jahr.  Dieses Geld können Ärzte in Fachpersonal oder moderne medizinische Diagnose- und Behandlungsgeräte investieren. Davon profitieren dann auch alle gesetzlich versicherten Patienten.

Landärzte profitieren besonders vom PKV-Mehrumsatz

Von den Mehrumsätzen der Privatpatienten profitieren vor allem niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in ländlichen Gebieten. Das liegt daran, dass genauso viele Privatversicherte auf dem Land leben wie in Großstädten und Ballungsräumen, die Privatversicherten auf dem Land im Durchschnitt jedoch älter sind – und Ältere gehen insgesamt häufiger zum Arzt. Hinzu kommt, dass in den städtischen Regionen die Praxis-Mieten, die Gehälter für Personal und andere ärztliche Praxiskosten höher liegen. Dadurch ist der reale Wert der PKV-Mehrumsätze in den ländlichen Regionen tendenziell größer.

Während zum Beispiel bei den niedergelassenen Ärzten in der städtisch geprägten Region Regensburg Mehrumsätze im Realwert von 59.083 Euro jährlich anfallen, sind es im Landkreis Cham je niedergelassenen Arzt 88.852 und im Landkreis Tirschenreuth sogar 96.638 Euro. Dieses „umgekehrte“ Land-Stadt-Gefälle ist in Bayern überall zu finden – und zeigt sich auch in anderen Ländern wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen.

Obwohl die niedergelassenen Ärzte in ländlichen Regionen relativ bessere Verdienstmöglichkeiten durch Privatversicherte haben, ist die Ärztedichte auf dem Land deutlich niedriger als in den städtischen Regionen. So gibt es im Landkreis Tirschenreuth 131 ambulant tätige Ärzte je 100.000 Einwohner, im Landkreis Cham sind es 153. Dagegen liegt die Ärztedichte in der Region Regensburg mit 240 ambulanten Ärzten je 100.000 Einwohner deutlich höher.

Fachkräftemangel: Mehrumsatz stärkt Standortattraktivität

„Die Daten zeigen: Ohne die Umsätze der Privatpatienten wäre die medizinische Versorgung gefährdet – auf dem Land sogar noch stärker als in den Städten. Damit würden die Standortqualitäten der ländlichen Regionen aufs Spiel gesetzt“, erklärt PKV-Direktor Florian Reuther. Denn wo es kein Krankenhaus, keinen Facharzt oder Kinderarzt gibt, dorthin zieht es auch keine jungen Ingenieure oder Unternehmensgründer – den regional ansässigen Unternehmen drohte Nachwuchsmangel.“

In diesem Kontext erteilte vbw Hauptgeschäftsführer Brossardt jeglicher Einheitsversicherung eine klare Absage: „Insbesondere im ländlichen Raum tragen die Mehrerlöse, die niedergelassene Ärzte durch Privatversicherte erzielen, dazu bei, die Qualität der Versorgung zu verbessern. Würden diese mit der Einführung einer Bürgerversicherung wegfallen, käme es zu einer deutlichen Verschlechterung bei der Versorgung.“