Portraitfoto von Anne von Fallois, der Vorstandsvorsitzenden der Deutschen AIDS-Stiftung
Anne von Fallois, Vorstandsvorsitzende der Deutschen AIDS-Stiftung

Anne von Fallois, Sie sind seit einem Jahr Vorstandsvorsitzende der Deutschen AIDS-Stiftung. Wie sind Sie in Ihrem Amt angekommen?

Sehr gut. Ich erlebe ein Betätigungsfeld erlebt, in dem es viel zu bewegen gibt, in dem es aber auch viel positive Begleitung gibt – und das ist sehr ermutigend.

Gegenüber der Gründungszeit der Deutschen AIDS-Stiftung erfährt das Thema HIV/Aids weniger öffentliche Aufmerksamkeit. Warum bleibt es wichtig, sich um HIV/Aids zu kümmern?

In Deutschland leben ca. 95.000 Menschen mit HIV. Schätzungen des RKI zufolge gab es im vergangenen Jahr 2.200 Neuinfektionen. Es infizieren sich also auch in Deutschland immer noch Menschen mit HIV. Und es sterben im Schnitt zwei Menschen am Tag an den Folgen von Aids.

Wie genau hilft die Deutsche AIDS-Stiftung?

Wir haben drei große Tätigkeitsbereiche: Der erste ist national. Hier kümmern wir uns um große Präventionsprojekte – mit Unterstützung der PKV. Und wir haben Projekte, die wir unter der Überschrift „Care“ laufen lassen. Es geht darum, Menschen mit HIV und Aids aus Einsamkeit und Isolation zu holen. Da gibt es verschiedene Angebote, zum Beispiel für diskriminierungsfreies Wohnen. Der zweite Bereich ist international, wir arbeiten mit Projektpartnern im südlichen Afrika. Drittens fördern wir im kleinen Rahmen Forschung: Wir vergeben Stipendien für junge Menschen, die sich in ihren Abschlussarbeiten mit HIV/Aids auseinandersetzen. Und wir vergeben auch ein wenig Auftragsforschung.

Wie hat sich die Arbeit der Stiftung im Laufe der Zeit verändert?

Die größte Veränderung entstand dadurch, dass HIV behandelbar wurde. Hochwirksame Medikamente sorgen dafür, dass eine HIV-Infektion unter Nachweis sinkt. Das ist ein phänomenaler Fortschritt, der unsere Arbeit verändert hat. Mitte der Neunzigerjahre ist die AIDS-Stiftung gestartet als Begleiterin für Menschen mit Aids in ihren letzten Tagen, Monaten, Jahren. Heute sind wir eher mit strukturellen Angeboten unterwegs. Und wir haben unsere ursprünglich rein nationale Arbeit international geweitet. Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema hat sich ohne Frage verändert. Das ist auch ein Feld, auf dem wir tätig sein müssen. Wir erinnern die Menschen daran: HIV/Aids ist nicht weg. Es ist nach wie vor nicht heilbar – aber es ist besiegbar.

Gemeinsam können wir das Ziel schaffen: eine Welt ohne Aids. Der PKV-Verband ist dabei unser wichtigster Partner.

Anne von Fallois , Vorstandsvorsitzende der Deutschen AIDS-Stiftung

Der PKV-Verband war 1987 einer der Urstifter der Nationalen AIDS-Stiftung, aus der später die Deutsche AIDS-Stiftung hervorging. Wie sieht heute die Zusammenarbeit zwischen PKV und AIDS-Stiftung aus?

Der PKV-Verband ist unser wichtigster Partner und unsere größte Stütze. Das zeigt sich personell darin, dass mein ehrenamtlicher Co-Vorstand der Verbandsdirektor ist, Dr. Florian Reuther. Wir arbeiten sehr eng, vertrauensvoll und freudvoll zusammen. Der Vorsitzende unseres Stiftungsrates kommt ebenfalls aus der PKV-Familie. Und unsere großen Präventionsprogramme sind nur möglich dank der Mittel, die wir für den PKV-Verband kuratieren.

Welche Arbeitsschwerpunkte setzen Sie für die Zukunft? Was möchten Sie bewegen?

Eines unserer wichtigsten Anliegen ist, die Zahl der sogenannten Late Presenter zu senken. Das sind die Menschen, die erst sehr spät diagnostiziert werden – wenn sie möglicherweise schon das Vollbild Aids ausgebildet haben. Das ist nicht notwendig. Es gibt ca. 8.000 Menschen in Deutschland, die nichts von ihrer HIV-Infektion wissen. Dagegen wollen wir etwas tun. Wir wollen uns auch um die steigende Zahl von älteren Menschen mit HIV kümmern. Und wir wollen Zielgruppen erreichen, die schwer zu erreichen sind: zum Beispiel Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen, die Drogen gebrauchen, und Menschen in Justizvollzugsanstalten. International richten wir einen Fokus gelegt auf die Ukraine. Dort waren die Infektionszahlen immer schon hoch. Nun steigen sie weiter, auch im Zuge der Verwerfungen, die mit dem von Russland angezettelten Krieg einhergehen. Deswegen werden wir uns hier stärker engagieren.

Video Thumbnail

Wir stehen vor dem Welt-Aids-Tag am 1. Dezember. Welche Bedeutung hat dieser Gedenktag für Sie?

Eigentlich wünsche ich mir natürlich, dass jeder Tag ein Welt-Aids-Tag wäre. Dennoch ist es ein wichtiger Tag, weil an ihm wie unter einem Brennglas deutlich wird: Wo stehen wir im Kampf gegen HIV/Aids? Was bleibt zu tun? Wer muss etwas tun? 

Das ist die Politik, das ist die Wissenschaft, das ist auch die Industrie, namentlich die Pharmaindustrie. Und das ist die Zivilgesellschaft. Und wenn wir alle zusammenwirken, dann können wir das große Ziel schaffen: eine Welt ohne Aids. Daran erinnert uns der Welt-Aids-Tag.