Meldung 20. Januar 2025

Die sozialen Sicherungssysteme werden bald nicht mehr finanzierbar sein, fürchtet die Präsidentin der Familienunternehmer Marie-Christine Ostermann. Um aus der Rezession zu kommen, fordert der Verband unter anderem strukturelle Reformen.

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Frau Ostermann, wir befinden uns in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Wie kommt Deutschland aus der Rezession?

Diese Rezession ist hausgemacht. Es gibt viele Stellschrauben, die Politiker jetzt drehen müssen, damit wir aus eigener Kraft wieder wachsen können. Der Standort muss wieder wettbewerbsfähig werden, die Kosten sind einfach zu hoch. Und deswegen brauchen wir Senkungen bei den Unternehmenssteuern. Sie müssen wenigstens auf europäisches Durchschnittsmaß sinken. Dann brauchen wir massiven Bürokratieabbau. Wir brauchen Energiekosten, die wettbewerbsfähig sind, und soziale Sicherungssysteme, die tragfähig und generationengerecht sind.

Welche Rolle spielen die steigenden Lohnnebenkosten für Sie als Unternehmerin und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?

Die steigenden Lohnzusatzkosten machen Arbeit immer teurer. Das bedeutet, dass Arbeit in Deutschland unattraktiver wird, beispielsweise für international tätige Fachkräfte, die überlegen nach Deutschland zu kommen. An anderen Standorten können sie jedoch zu attraktiveren Bedingungen arbeiten, weil mehr Netto vom Brutto übrigbleibt. Und für die Unternehmer bedeuten die steigenden Lohnzusatzkosten natürlich weniger Liquidität – weniger Mittel, die bereitstehen, um zu reinvestieren, um in Innovationen zu investieren.

Wir laufen auf einen Kipppunkt Anfang der 2030er-Jahre zu.

Marie-Christine Ostermann , Präsidentin der Familienunternehmer

Sie haben in diesem Zusammenhang auch schon von einem Kipppunkt gesprochen, der bald erreicht sein könnte. Was droht hier?

Wenn die sozialen Sicherungssysteme jetzt nicht reformiert werden und weiter nichts passiert, dann laufen wir auf einen Kipppunkt Anfang der 2030er-Jahre zu. Das bedeutet, dass die sozialen Sicherungssysteme, so wie sie jetzt sind, dann nicht mehr finanzierbar sein werden.

Zu den Sozialabgaben zählen auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Auch hier drohen Beitragssteigerungen. Was ist zu tun?

Hier wäre es wichtig, dass auch diese Versicherung effizienter wird. Dass es zum Beispiel eine Kontaktpauschale gibt für Menschen, die zum Arzt gehen. Dass es mehr Wettbewerb gibt, auch unter den Krankenkassen. Und auch, dass es viel mehr Digitalisierung geben wird, um deutliche Effizienzsteigerungen zu erreichen. Im Bereich der Pflegeversicherung wäre es wichtig, dass es eben keine Vollkaskoversicherung wird, sondern eine Teilkaskoversicherung bleibt und dass wir hinsteuern auf Kapitaldeckung. Dass also jeder Mensch eigenverantwortlich dafür zuständig ist, eigenes Geld anzusparen, um für sich selbst für‘s Alter, für Pflege, für Krankheit mit vorzusorgen.

Wir müssen zurück zur 40-Prozent-Grenze.

Marie-Christine Ostermann , Präsidentin der Familienunternehmer

Wie viel „Sozialstaat“ können wir uns eigentlich leisten?

Wir hatten immer eine Grenze von 40 Prozent des Bruttolohns der Arbeitnehmer. Diese Grenze war tragbar für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um die sozialen Sicherungssysteme zu finanzieren. Und zu dieser Grenze müssen wir auch wieder hinkommen, das muss die Höchstgrenze sein. Aktuell liegen wir schon bei fast 42 Prozent. Und die Aussicht besteht, dass es in der nächsten Legislaturperiode 44 bis 45 Prozent werden, ab 2030 sogar bis zu 50 Prozent. Das sind einfach so hohe Kosten, die kein arbeitender Mensch mehr schultern kann. Daher brauchen wir dringend strukturelle Reformen.

In diesem Zusammenhang wird auch die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen für die Kranken- und Pflegeversicherung diskutiert. Das würde Sie als Arbeitgeberin auch betreffen.

Die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen bedeutet für Leistungsträger, dass der Standort Deutschland noch unattraktiver wird. Wir haben schon Höchststeuern und Höchstabgaben – sowohl für Unternehmer als auch für Arbeitnehmer.

Wie ließe sich unser System der sozialen Sicherung zukunftsfest und generationengerecht gestalten?

Indem wir wieder mehr auf Eigenverantwortung auf jeden Fall setzen, aber auch viel mehr auf strukturelle Reformen: dass zum Beispiel das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung angepasst wird. Aber eben auch, dass Ausgaben deutlich zielgenauer und effizienter eingesetzt werden. Dass zum Beispiel das Bürgergeld die Menschen bekommen, die wirklich Hilfe brauchen.

Wir stehen vor vorgezogenen Neuwahlen. Welche Erwartungen formulieren Sie an eine neue Bundesregierung?

Wir Familienunternehmer fordern einen Kurswechsel hin zur sozialen Marktwirtschaft. Wir brauchen jetzt marktwirtschaftliche Reformen, weniger Staat und mehr Markt. Das würde sehr helfen, um den Standort attraktiver zu machen und wieder Wachstum aus eigener Kraft zu schaffen.

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