Meldung 23. Januar 2025

Knapp eine Woche vor dem bundesweiten Wirtschaftswarntag am 29. Januar haben PKV-Verband, die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) und das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) die dramatischen Folgen zu hoher Lohnzusatzkosten für den Wirtschaftsstandort Deutschland aufgezeigt.

Beate Neubauer (vbw), Bertram Brossardt (vbw), Moderatorin Christina Betz (PKV), Prof. Dr. Michael Hüther (IW) und PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther (v.l.n.r.).

Im Mittelpunkt der Veranstaltung „Wegweiser 2025“ standen die rasant steigenden Sozialabgaben vor allem in der Kranken- und Pflegeversicherung und die damit verbundene Belastung der Arbeitgeber durch stetig wachsende Lohnzusatzkosten. Mit dem Arbeitgeber-Belastungs-Rechner stellte die vbw ein Online-Tool vor, mit dem Unternehmen diese zunehmende finanzielle Belastung individuell berechnen können.

Schon heute liege der Gesamtbeitragssatz zur Sozialversicherung bei rund 42 Prozent des Bruttoeinkommens, betonte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Bis zum Jahr 2030 würden diese Abgaben auf 45,2 Prozent steigen. Dies hat die vbw in der aktuellen Studie „Sozialversicherung und Lohnzusatzkosten“ berechnet. Die Folgen seien sowohl für Unternehmen als auch für Versicherte gravierend, warnte Brossardt. „Dabei geht es nicht nur um den Anstieg der Beitragssätze. Im Fokus stehen insbesondere die Auswirkungen einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze bei Gesundheit und Pflege, die seitens einzelner Parteien immer wieder gefordert wird.“ Allein eine solche Anhebung auf das Niveau der Rentenversicherung würde die Lohnzusatzkosten im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung um bis zu 46 Prozent erhöhen. All das belaste die Wirtschaft massiv. Gelinge es nicht, die Arbeitskosten zu senken, seien Arbeitsplatzverlagerungen ins Ausland, steigende Arbeitslosigkeit und Wohlstandsverluste unausweichlich.

Der Arbeitgeber-Belastungs-Rechner

Der von der vbw entwickelte Arbeitgeber-Belastungs-Rechner zeigt auf, wie stark höhere Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung einzelne Unternehmen belasten. Berücksichtigt werden sowohl steigende Beitragssätze als auch die in der Politik häufig geforderte Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze von heute 66.150 € auf das Niveau der Rentenversicherung (96.600 €).

Mit dem Arbeitgeber-Belastungs-Rechner kann die Vorher-Nachher-Lohnzusatzkosten-Situation für ganze Unternehmen oder Betriebe sowie für die Gehälter einzelner Beschäftigter in Euro und Prozent pro Jahr dargestellt werden.

www.arbeitgeber-belastungs-rechner.de

Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), warnte ebenfalls vor einer steigenden Beitragsbemessungsgrenze: „Selbst wenn es mit einer Anhebung der Bemessungsgrenze gelänge, kurzfristige Beitragssatzerhöhungen zu vermeiden, wäre damit nichts gewonnen. Denn bei unverändert stark steigenden Ausgaben werden zeitnah wieder höhere Sätze erforderlich. Außerdem kann eine höhere Beitragsbemessungsgrenze nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beitragsbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ad hoc steigt – nämlich für diejenigen Beschäftigten, die Entgelte oberhalb der bisher gültigen Bemessungsgrenze erzielen. In der Folge würden vor allem jene Unternehmen und Regionen in Deutschland belastet, die bislang die wirtschaftliche Entwicklung stützen.“

Hüther befürchtet, der Anstieg der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung könne einen lang anhaltenden Trend latent steigender Sozialabgaben einleiten. Das liege auch an der demografischen Transformation der Gesellschaft: „In der kommenden Legislaturperiode erreichen 5,1 Millionen Menschen die Regelaltersgrenze von derzeit 66 Jahren. Denen folgen aber nur 3,1 Millionen Menschen ab einem Alter von 20 Jahren. Diese Entwicklung wird sich über das Jahr 2030 hinaus fortsetzen. In der Folge schrumpft das Arbeitskräftepotenzial, während die Zahl der rentenberechtigten Ruheständler stetig steigt.

Es drohe eine Negativ-Spirale: Trüben sich die Beschäftigungs- und Einkommenschancen aufgrund latent steigender Sozialabgaben ein, könnten die Ausgaben der Sozialversicherung schneller steigen als die beitragspflichtigen Einkommen. Das erhöht den Anpassungsdruck auf die Beitragssätze zusätzlich.

PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther pflichtete Hüther bei: „Jede neue Leistungsausweitung und jede Erhöhung der Beitragssätze und der Bemessungsgrenzen ist lebensbedrohlich für die Arbeitsplätze in Deutschland. Auf ihnen lastet ohnehin schon eine der weltweit höchsten Abgabenquoten.“

In diesem Zusammenhang bewertete Reuther auch die aktuelle Debatte um die Vorschläge für eine Sozialabgabenpflicht auf Kapitalerträge: „Dieser Vorschlag von Herrn Habeck ist ein Baustein in der sogenannten „Bürgerversicherung“, wie sie die Grünen verfechten. Dabei wollen sie – und ebenso die SPD – den GKV-Versicherten auch einen Wechsel in die Private Krankenversicherung komplett verbieten. Den Menschen soll die Ausweichmöglichkeit genommen werden, um dann freie Bahn für die massive Erhöhung der Beitragslast der Betroffenen zu haben.“ 

Forderungen an die Politik

Um den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder attraktiver zu machen und die Lohnzusatzkosten in einem erträglichen Maß zu halten, forderten die Akteure schnelle Reformen von der Politik:

  • Eine einnahmeorientierte Ausgabenpolitik in der Sozialversicherung
  • Keine Leistungsausweitungen in der Sozialversicherung
  • Kapitalgedeckte Finanzierungselemente in allen Sozialversicherungszweigen
  • Stärkung der Eigenverantwortung, etwa über private Zusatzversicherungen in der Pflege
  • Eine ehrliche Diskussion darüber, welche Leistungen solidarisch über Sozialabgaben finanziert werden sollen und wo der Einzelne gefragt ist

Mit Blick auf die notwendigen Reformen forderte Bertram Brossardt von der Politik: „Die neue Bundesregierung muss in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit ein schlüssiges Gesamtkonzept für eine grundlegende Reform der Sozialversicherungssysteme vorlegen.“