Seit 2015 fließt ein Anteil von 0,1 Prozentpunkten der Beiträge zur Sozialen Pflegeversicherung (SPV) in den sogenannten Pflegevorsorgefonds. Ab 2035 soll diese Rücklage eingesetzt werden, um bereits absehbare, weitere Beitragssteigerungen in der SPV zumindest etwas abzufedern. Das Problem: Der Fonds befindet sich unter staatlicher Aufsicht.
Das Demografie-Problem der Sozialen Pflegeversicherung ist seit langem bekannt. Mit der Einführung des Pflegevorsorgefonds unternahm die Politik vor acht Jahren einen zarten Versuch, die schlimmsten Folgen abzufedern. Nun werden die Zahlungen der Pflegekassen stark reduziert.
Die Experten vom wissenschaftlichen Beirat im Bundeswirtschaftsministerium formulieren das so: „ […] bei einem Fonds, der von staatlicher Seite bedient wird, (besteht) die Gefahr, dass die weitere Akkumulation in Zeiten finanzieller Engpässe oder veränderter politischer Präferenzen ausgesetzt wird, so dass er letztlich seine Wirkung nicht entfalten kann.“ Ähnlich argumentiert auch Prof. Christian Rolfs von der Universität Köln, Mitglied im Experten-Rat Pflegefinanzen.
Ganz gleich, wie man die Warnung formuliert, sie war bitter angebracht: Denn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die jährliche Zahlung von 1,6 Milliarden Euro in den Fonds jetzt teilweise ausgesetzt – die Zuführung an den Pflegevorsorgefonds für die Jahre 2024 bis 2027 wird auf 700 Millionen Euro reduziert. Er reagiert damit auf die aktuelle Entwicklung bei den Haushaltsberatungen: Demnach soll der Steuerzuschuss zur SPV in Höhe von einer Milliarde Euro entfallen. Schon zum Jahreswechsel 2023 hatte der Bundestag die bis dahin monatlichen Zuführungen zum Pflegevorsorgefonds gegen eine Einmalzahlung im Dezember 2023 ausgetauscht, um Beitragserhöhungen zum Jahreswechsel zu vermeiden.
„Wir können nicht den einzig nachhaltigen Aspekt der Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung über Bord werfen. Die Zukunft gegen die Gegenwart einzutauschen ist nicht fair. Das weiß der Gesundheitsminister auch.
Es ist nicht das erste Mal, dass die kapitalgedeckte Demografie-Vorsorge in der Sozialen Pflegeversicherung in Frage gestellt wird. So hatte die Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, anlässlich des Deutschen Pflegetags eine Aussetzung der Einzahlungen angeregt. (AOK/FAZ).
Vor zwei Jahren forderte Annalena Baerbock – damals Kanzlerkandidatin der Grünen – sogar, den Fonds komplett aufzulösen, um Pflegerinnen und Pfleger höher zu entlohnen. Ähnlich äußerte sich zwei Jahre zuvor ihre Parteifreundin Kordula Schulz-Asche: Der Fonds raube der Versichertengemeinschaft „die Möglichkeit, ein milliardenschweres Sofortprogramm aufzulegen, mit dem zusätzliche Pflegefachkräfte eingestellt und tarifgerecht bezahlt werden könnten“. (Tagesspiegel vom 20.12.2019).
„Ein Aussetzen des Pflegevorsorgefonds geht voll zu Lasten der jungen Generation, die mit diesem Fonds eigentlich entlastet werden soll. Das zeigt einmal mehr, dass nachhaltige und sichere Vorsorge nur über private Lösungen möglich ist. Das Vorsorge-Kapital in der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung ist verfassungsrechtlich vor dem Zugriff der Politik und vor Zweckentfremdung geschützt.“
Die Beispiele zeigen, wie groß die Verlockung ist, eine für die langfristige Vorsorge konzipierte Kapitalanlage unter staatlicher Obhut wieder aufzulösen, um Finanzlöcher kurzfristig zu stopfen. Doch damit werden die strukturellen Probleme des Systems nicht gelöst, sondern höchstens vorübergehend kaschiert. Ein ähnliches Muster zeigt sich im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Die Rücklagen der Krankenkassen werden per staatlichem Dekret aufgelöst, um akute Defizite auszugleichen. Langfristige, strukturell wirksame Maßnahmen: auch hier Fehlanzeige.
Unabhängig von den Begehrlichkeiten der Politik ist der Nutzen des Pflegevorsorgefonds angesichts der gewaltigen Kosten der Alterung der Bevölkerung nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Ansparsumme ist viel zu gering, um einen ausreichenden Effekt zu haben. Dennoch ist die Idee grundsätzlich richtig, das demografieanfällige Umlagesystem mit mehr Rücklagen zu stabilisieren.
So machen es auch wir in der PKV. Allein für die Private Pflegepflichtversicherung haben die Unternehmen schon rund 47 Milliarden Euro an Alterungsrückstellungen zurückgelegt. Geld, das den rund 9 Millionen Versicherten in Zukunft zu Gute kommen wird, ohne dass der Staat oder andere vorzeitig Zugriff darauf haben. So ist die Private Pflegepflichtversicherung weitgehend unabhängig von der demografischen Entwicklung.
Zwar ist es illusorisch, für die wesentlich größere Zahl an Versicherten in der SPV nachträglich noch eine vergleichbare Rücklage aufzubauen. Doch Elemente der Kapitaldeckung können auch hier helfen, eine bessere Vorsorge zu treffen. Zum Beispiel durch individuelle oder betriebliche Zusatzversicherungen. Auch der Experten-Rat Pflegefinanzen empfiehlt für die generationengerechte Absicherung der Eigenanteile im Pflegeheim eine obligatorische, kapitalgedeckt finanzierte Zusatzversicherung ("Pflege-Plus").Oder mit unserem Konzept für eine generationengerechte und solidarische Finanzierung der Pflege. Die Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch.