Meldung 06. November 2023

Die Pflegereform von 2021 hat Heimbewohner von stark steigenden Pflegekosten entlastet. Die aktuelle Entwicklung der „Hilfe zur Pflege“ zeigt aber: Bei den wirklich Bedürftigen kommt die Deckelung der Eigenanteile kaum an.

Weniger Menschen auf "Hilfe zur Pflege" angewiesen

Im Jahr 2022 haben weniger Pflegeheimbewohner „Hilfe zur Pflege“ bezogen. Die Zahl der Empfänger ist laut Statistischen Bundesamt (destatis) im vergangenen Jahr um 9,4 Prozent auf 238.320 Personen gesunken (-24.735 Personen). Ihr Anteil an allen vollstationär Versorgten sank von 29,3 Prozent (2021) auf 26,9 Prozent (2022). Ganz offenbar steht dieser Rückgang im Zusammenhang mit der Pflegereform von 2021: Um Pflegeheimbewohner vor Überforderung durch steigende Eigenanteile zu schützen, erhalten sie seit dem 1. Januar 2022 zusätzlich zu den Leistungen der Pflegeversicherung einen Zuschlag.

Zusätzliche Milliarden kommen nicht bei Pflegebedürftigen an

Die Kosten für diese Deckelung tragen die Beitragszahler der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) und der Privaten Pflegepflichtversicherung (PPV). Ursprünglich hatte der Gesetzgeber die zusätzliche Belastung im ersten Jahr mit 2,5 Milliarden Euro kalkuliert. Diese wurde jedoch weit übertroffen. Alleine in der SPV fielen 2022 für die neuen Zuschläge Gesamtausgaben von 3,64 Milliarden Euro an.

Doch diese zusätzlichen Milliarden kommen nur zu einem kleinen Teil bei den wirklich Bedürftigen an: Nach Daten des Statistischen Bundesamts sind die Ausgaben der Sozialämter für Hilfe zur Pflege 2022 nur um 1,23 Milliarden Euro (von 4,737 auf 3,506 Milliarden Euro) gesunken. Das bedeutet: Vom übergroßen Teil der Zuschläge - rund 2,26 Milliarden Euro - haben auch Pflegefälle profitiert, die die Hilfe gar nicht brauchten.

„Die Deckelung der Eigenanteile auf Kosten der Beitragszahler ist nicht sozial“, kommentiert PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther die aktuellen Zahlen. „Die teuren Zuschüsse zu den Eigenanteilen helfen ärmeren Pflegebedürftigen praktisch nicht. Stattdessen erhalten vermögende Pflegebedürftige auf Kosten der Beitragszahler zusätzliche Leistungen, obwohl die meisten in Eigenverantwortung ihre Pflegekosten selbst tragen können.“

PKV: Deckelung der Eigenanteile stoppen

Diese Fehlentwicklung wird weiter zunehmen: Das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) hat die Zuschläge in der stationären Versorgung zum 1.1.2024 erneut angehoben. Der Gesetzgeber geht von weiteren Mehrausgaben von 0,6 Mrd. Euro aus. Ob das wirklich ausreicht, ist offen, wie aktuelle Medienberichte zum Anstieg der Gehälter für Pflegekräfte nahelegen.

Wenn es schon schwer ist, den Anstieg der Pflegekosten zu bremsen, dann wird zielgenauer Mitteleinsatz umso wichtiger – im Interesse aller Pflegebedürftigen.

Dietrich Creutzburg, FAZ-Wirtschaftskorrespondent in Berlin

Die zusätzlichen Kosten treffen die Beitragszahler zu einer Zeit, in der das umlagefinanzierte System der Sozialen Pflegeversicherung demografiebedingt ohnehin schon an seine Belastungsgrenzen stößt. Ein nachhaltiges und generationengerechtes Finanzierungskonzept für die SPV ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bislang schuldig gebelieben. Bis zum 31. Mai hat sich die Bundesregierung Zeit gegeben, konkrete Empfehlungen für eine "stabile und dauerhafte Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung" vorzulegen.    

„Der Gesetzgeber sollte die Deckelung der Eigenanteile stoppen, denn die Hilfe zur Pflege erfüllt ihre Aufgabe, gezielt die zu unterstützen, die der Hilfe tatsächlich bedürfen“, empfiehlt PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther.