Einige politische Parteien fordern, die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung auf das Niveau der Rentenversicherung anzuheben. Welche Folgen hätte das?
Zunächst einmal würde eine Gruppe ganz besonders belastet: nämlich die, die höhere Arbeitseinkommen zwischen der jetzigen Bemessungsgrenze und der dann relevanten Bemessungsgrenze erzielt. Das heißt, da werden Menschen höher belastet, ohne dass sie eine höhere Leistung haben. Warum gerade diese Gruppe, ist mal die erste Frage. Und zweitens führte das natürlich dazu, dass die höheren Pflichtbeiträge die Steuerbasis mindern. Es handelt sich ja um Sonderausgaben im Bereich der Einkommensteuer. Und wenn man das macht, fehlen den Gebietskörperschaften etwa 4,6 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Auch damit muss man umgehen.
Was heißt das für die Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand?
Wir haben ohnehin ein Riesenproblem bei den Investitionen. Die öffentlichen Investitionen sind seit Langem sehr viel niedriger als im Schnitt Europas. Das zeigt sich jetzt an den Umkipp-Effekten und der dramatisch schlechten Situation im Bereich der Bahn, des Autobahnnetzes, der Bundeswasserstraßen, der kommunalen Straßen und der Landesstraßen. Da muss beantwortet werden. Wenn wir jetzt noch zusätzlich die Einnahmenbasis verkürzen, wird das Problem noch verschärft.
Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Leistungsausweitungen für die Kranken- und für die Pflegeversicherung beschlossen, die zu Kostenschüben geführt haben. Müsste jetzt doch gespart werden – auch wenn der Bundeskanzler und der Bundesgesundheitsminister Leistungskürzungen bisher ausschließen?
Wenn man die Geschichte der letzten 50 Jahre anschaut, haben wir immer wieder in Schüben in die Leistungsbemessung, in die Leistungsausgestaltung der Sozialversicherungen eingegriffen. Es sind Dinge zurückgenommen worden, man hat beispielsweise in der Gesetzlichen Krankenversicherung versucht, ein Kostendämpfungsprogramm zu machen. Das ist immer wieder für Jahre erfolgreich gewesen. Aber nach fünf, sechs, sieben Jahren musste man wieder ran. Das ist ein Teil der Leidensgeschichte des politischen Handelns, weil es nie nachhaltig wirkt. Aber dass wir hier an die Ausgaben ranmüssen und die Kosten dämpfen müssen, das kann keine Frage sein. Das ist selbstverständlich.