Interview 17. August 2022

Sandra Heisig wurde im Mai 2022 zur ersten stellvertretenden Vorsitzenden der dbb jugend gewählt. Im Interview erzählt sie über ihre Arbeit, warum sie eine Bürgerversicherung ablehnt und was sie von der pauschalen Beihilfe hält.

Frau Heisig, Sie wurden auf dem Bundesjugendtag im Mai zur ersten stellvertretenden Vorsitzenden der dbb jugend gewählt. Was sind Ihre Arbeitsschwerpunkte?

In der dbb Jugend kümmern wir uns um Themen, die die gesamte Verwaltung betreffen. Mir ist die Attraktivität des öffentlichen Dienstes ein besonderes Anliegen. Zu einem modernen Staat gehört zum Beispiel auch die Digitalisierung. Das sind Themen, wo man noch viel verbessern kann. Und diese Forderungen machen wir öffentlich und wirken an der Umsetzung mit.

Sie haben die Attraktivität des öffentlichen Dienstes angesprochen. Was genau meinen Sie damit?

Was das Berufsbeamtentum aus meiner Sicht interessant macht, ist auch das damit verbundene Sicherheitsgefühl. Gerade in der Corona-Pandemie, in der viele Angestellte ihre Jobs verloren haben oder zumindest darum bangen mussten, hat sich gezeigt, wie wichtig das ist. Immer wieder kommen deshalb Menschen aus der freien Wirtschaft im zweiten Bildungsweg zu uns.

Ist die Beihilfe auch ein Teil dieses Sicherheitsversprechens?

Sie ist auf jeden Fall ein wichtiger Teil des Gesamtpakets, gerade was die individuelle Beihilfe angeht. Sie ist einfach ein Grundsatz des Berufsbeamtentums, an dem nicht gerüttelt werden sollte. Denn mindestens 50 Prozent seiner Arztrechnungen vom Dienstherren erstattet zu bekommen, ist einfach eine große Sache.

In einigen Bundesländern gibt es ja eine pauschale Beihilfe – eine Art Arbeitgeberzuschuss für Beamtinnen und Beamte, die sich gesetzlich krankenversichern. Wie beurteilen Sie das?

Die pauschale Beihilfe bietet den Beamtinnen und Beamten in den entsprechenden Ländern natürlich auch eine Möglichkeit der Absicherung. Je nach Familiensituation und Gesundheitszustand kann sie im Einzelfall auch die richtige Option sein. Andererseits gibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung die beitragsfreie Mitversicherung der Familienmitglieder, wenn diese keine „Gutverdienenden“ sind. Die PKV punktet hingegen mit ihren Leistungen und kurzen Wartezeiten. Es gibt also viel zu bedenken, bei einer entsprechenden Entscheidung.

Ich kann also nur raten, sich diese Entscheidung sehr genau zu überlegen. Wenn man sich einmal für die pauschale Beihilfe entscheiden hat, gibt es kein Zurück mehr. Und natürlich können wir schon deshalb nicht uneingeschränkt hinter der pauschalen Beihilfe stehen, weil sie ein Schritt in Richtung der für uns mit falschen Versprechungen behaftetet Bürgerversicherung ist.

Auch der dbb Jugendtag hat im Mai in zwei Anträgen eine Bürgerversicherung abgelehnt. Warum?

Bürgerversicherung bedeutet zunächst, dass alle Menschen im gleichen System krankenversichert sind. Und natürlich haben wir in Deutschland insgesamt ein sehr, sehr gutes Gesundheitssystem, das durchaus ein internationales Vorbild ist. Aber es zeigt sich ja immer mehr, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung große finanzielle Probleme hat.

Wenn man nun alle Privatversicherten – und dazu zählen ja fast alle Beamten – in dieses System stecken würde, müsste es noch mehr Lasten tragen, wofür es gar nicht ausgelegt ist. Hinzu kommt: In einer Einheitsversicherung sollen ja im Grundsatz alle gleich versichert sein. Wer Geld hat, könnte sich allerdings Zusatzleistungen dazu kaufen. Gerade dann wären vermögende Personen also besser abgesichert als andere. Beamtinnen und Beamten sollten eine Bürgerversicherung aber noch aus einem anderen Grund ablehnen.

Nämlich…?

Wir befürchten, dass eine Bürgerversicherung ein erster Schritt wäre, der letztlich zu einem Einheitssystem auch in der Altersvorsorge führen würde. Wir bekommen als Beamtinnen und Beamte keine Rente, sondern eine Pension, die über die entsprechenden Versorgungsfonds der Gebietskörperschaften und ggf. bestehende Rücklagen abgesichert ist. Dieses System ist ganz klar ein großer Vorteil des Berufsbeamtentums. Und ohne die derzeitige Form der Altersvorsorge und Krankenversicherung würde die Attraktivität des Berufsbeamtentums extrem leiden. Wenn man den Leuten diese beiden Säulen nimmt, dann dürften viele lieber für sehr viel mehr Geld in die freie Wirtschaft gehen.

Gibt es denn bei Ihnen einen Fachkräftemangel?

Auf jeden Fall: Gerade durch den demografischen Wandel und die altersbedingten Abgänge werden sehr viele Stellen frei, die voraussichtlich erst mal unbesetzt bleiben. Wir haben sehr viel weniger Interessenten als wir uns das wünschen. Und deswegen muss man wirklich hart daran arbeiten, dass der öffentliche Dienst wieder attraktiv für junge Leute wird.

Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Entscheidung, das in Berlin Lehrerinnen und Lehrer wieder verbeamtet werden?

Ich kann nur sagen: Warum hat es so lange gedauert? Berlin liegt ja mitten in Brandenburg, wo Lehrkräfte auch in den vergangenen Jahren verbeamtet wurden. Da sind viele lieber ins Umland gezogen, um dort an den Schulen zu arbeiten. Daran kann man erkennen, wie wichtig das Berufsbeamtentum ist. Dass Berlin nun diesen Fehler korrigiert hat, hat deswegen auch etwas mit Wertschätzung gegenüber diesem wichtigen Beruf zu tun.