Meldung 29. Mai 2024

Am 9. Juni fanden in Deutschland die Europawahlen statt. Welche Relevanz die EU-Politik für die Gesundheitsbranche hat, erläutert Bastian Biermann. Er leitet die Stabsstelle Europa im PKV-Verband.

Herr Biermann, Sie sind Leiter der Stabsstelle Europa und Sonderprojekte im PKV-Verband. Was genau ist Ihre Aufgabe?

Ich bin sozusagen das Gesicht der PKV in Brüssel. Mit der Privaten Krankenversicherung vertreten wir auf europäischer Ebene ein System, das mit seiner Dualität in keinem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union in dieser Form existiert. Es glänzt durch seine Stärke, fordert aber stets bei politischen Entscheidungsträgern ein besonderes Bewusstsein. Aus diesem Grund ist es außerordentlich wichtig, dass wir unsere besonderen Interessen, die auf dem Zwei-Säulen-Modell aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufbauen, vertreten. In den Gesetzgebungsprozessen müssen wir immer wieder diese Sonderrolle gegenüber den zuständigen Entscheidungsträgern verdeutlichen.

Inwieweit ist die EU-Politik für uns in Deutschland wichtig?

Die aktuellen geopolitischen Herausforderungen sind immens und erfordern neues Denken: Zunehmende Systemkonflikte zwischen Demokratien und Autokratien haben Auswirkungen bis in die Mitgliedstaaten. In ihren Reaktionen wird sich die Europäische Union darauf besinnen müssen, was sie in den Verträgen zu ihrem Basisfundament gemacht hat - die Prinzipien der freiheitlichen Demokratie. Ein großer Teil der in Deutschland beschlossenen Gesetze hat zudem seinen Ursprung in Brüssel. Für unsere Branche kommt hinzu, dass EU-Politik auch ganz konkret die Belange der Privaten Krankenversicherung berührt. 

Ist die Gesundheitspolitik nicht Angelegenheit der Mitgliedstaaten und kein Handlungsfeld der EU?

Das ist zwar grundsätzlich richtig. Allerdings wird der politische Ruf nach Übertragung von mehr gesundheitlichen Kompetenzen von der nationalen auf die EU-Ebene immer lauter – eine „Europäische Gesundheitsunion“ wird zunehmend konkreter. Und ähnlich wie im Bundestag spielen dabei auch im Europäischen Parlament die Parteienkonstellationen eine erhebliche Rolle – für Deutschland mit seinem dualen System ist das besonders wichtig. 

Und es gibt eine ganze Reihe von europäischen Themen über die reine Gesundheitspolitik hinaus, zu denen wir als PKV-Verband unsere Stimme erhoben haben und dies auch weiterhin tun müssen. Hier eine kleine Auswahl: Das Aufsichtsrecht mit Solvency II, die Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen, das Recht auf Vergessen, die Verordnung für einen europäischen Gesundheitsdatenraum, die Verordnung für Künstliche Intelligenz, die Richtlinie für Patientenrechte oder die Versicherungsvermittlungsrichtlinie.