1. Pauschale Beihilfe schränkt das Wahlrecht ein
Die geplante Neuregelung sieht vor, dass sich die Staatsbediensteten gleich zu Beginn ihrer Laufbahn unwiderruflich für eine Beihilfevariante entscheiden müssen. Wer mit der Verbeamtung die pauschale Beihilfe wählt, soll später nicht mehr in die Private Krankenversicherung wechseln können. Dadurch wird die Wahlfreiheit zwischen den beiden Systemen jedoch erheblich eingeschränkt – besonders auf Kosten der jungen Berufsanfänger. Sie müssen die Entscheidung in einer Lebensphase treffen, in der die Karriere- und Familienplanung häufig noch nicht abgeschlossen sind.
Die pauschale Beihilfe setzt als „Insellösung“ aber auch regionale Grenzen, denn sie existiert in weniger als einem Drittel der Bundesländer. Das ist ein handfester Nachteil für Beamte, die aus privaten Gründen oder wegen reizvoller Stellenangebote in andere Bundesländer ohne „pauschale Beihilfe“ umziehen wollen. Beamte müssten dann entweder den gesamten GKV-Beitrag selbst zahlen oder in die klassische Kombination aus Beihilfe und PKV wechseln. Da sie mit diesem späten Einstieg in die PKV aber den Aufbau der Alterungsrückstellungen nachholen müssten, wird der PKV-Beitrag entsprechend hoch sein. Die pauschale Beihilfe hätte somit für die wechselnden Beamten und ihre Angehörigen den Preis einer dauerhaft höheren Versicherungsprämie.
2. Weniger Leistungen und meist höhere Beiträge
In der Kommunikation der Landesregierung spielt die Leistungsfrage eine untergeordnete Rolle. Aus Sicht der Betroffenen ist das ein schwerwiegendes Versäumnis, denn die Pflichtversicherung in der GKV bietet im Krankheitsfall einen deutlich kleineren Leistungsumfang als die klassische Kombination aus Beihilfe und PKV: So gibt es z.B. keinen Anspruch auf ambulante Behandlung im Krankenhaus, geringere Zuschüsse bei Zahnersatz, keine Heilpraktiker-Leistungen, geringere Zahlungen für Hörgeräte, keine Wahlleistungen im Krankenhaus wie die Chefarztbehandlung oder Zweibettzimmer.
Für den geringeren Leistungsumfang in der GKV werden die meisten Beamten dann aber einen höheren Beitrag zahlen. Für einen Durchschnittsverdiener (38.901 Euro Jahresbrutto) würden in der GKV 2022 pro Monat rund 258 Euro für den Beamten fällig, bei Einkünften an der Beitragsbemessungsgrenze sind es pro Monat sogar 384 Euro. Zum Vergleich: In den Beamtentarifen der PKV beträgt der Durchschnittsbeitrag derzeit rund 211 Euro. Im Pensionsalter können außerdem erhebliche Mehrbelastungen dazukommen. Als „freiwillig Versicherte“ müssen gesetzlich versicherte Beamte neben der Pension auch auf alle weiteren Einkünfte wie Kapitalerträge oder Mieteinkünfte den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag von derzeit rund 19 Prozent abführen – bis zu einem Gesamtbeitrag von zurzeit 769 Euro im Monat.
3. Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung
Hinzu kommen die Auswirkungen der „pauschalen Beihilfe“ auf die Pflegeversicherung. Sie werden von der Landesregierung öffentlich nicht erwähnt, spielen jedoch für den Beitragsvergleich von Staatsbediensteten eine wichtige Rolle – insbesondere bei niedrigen Einkommen. Falls sich Beamte für die GKV entscheiden, folgt daraus auch die Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung der GKV. Sie kostet für Durchschnittsverdiener (mit Kindern) derzeit rund 99 Euro im Monat – für Beamte würden also rund 50 Euro für den hälftigen Schutz fällig. Bei Einkünften an der Bemessungsgrenze sind es derzeit 148 Euro, für Beamte also rund 74 Euro im Monat.
Die Private Pflegepflichtversicherung (PPV) ergänzend zur Beihilfe ist für junge Beamte meist deutlich günstiger, sie kostet in der Regel um die 15 Euro. Das kann eine Ersparnis von gut 400 bis über 700 Euro pro Jahr gegenüber den Pflegebeiträgen in der GKV bedeuten. Die Kinder sind auch in der PPV beitragsfrei mitversichert.
4. Pauschale Beihilfe belastet die Steuerzahler
Die Zahlen zeigen, dass die meisten Beamten bei der pauschalen Beihilfe draufzahlen. Das gilt aber auch für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler: Die „pauschale Beihilfe“ ist auf mindestens drei bis vier Jahrzehnte hinaus deutlich teurer als das geltende Recht. Der Dienstherr muss vom ersten Tag an für den Beamten den vollen GKV-Zuschuss zahlen, während der individuellen Beihilfe nur im konkreten Krankheitsfall Kosten entstehen – was in den aktiven Jahren der Beamten deutlich weniger kostet als der GKV-Arbeitgeberbeitrag.
Das Landesfinanzministerium prognostiziert die Mehrkosten für die Landeskasse bei 13 Millionen Euro im ersten Jahr 2023. Das ist jedoch nur der Anfang. Schon 2040 soll die Mehrbelastung bei 70,8 Millionen pro Jahr liegen und bis in Jahr 2060 auf 133 Millionen Euro pro Jahr anwachsen. Hinter diesen vermeintlich überschaubaren Millionensummen pro Jahr verbirgt sich eine regelrechte Kostenexplosion zu Lasten der Steuerzahler. In Summe erreichen die vom Finanzministerium prognostizierten Gesamtkosten der pauschalen Beihilfe bis zum Jahr 2060 mehr als 2,6 Milliarden Euro. Auf den Landeshaushalt für Baden-Württemberg kommt also eine gewaltige selbstgemachte Kostenwelle zu. Schon im Laufe der aktuellen Wahlperiode bis 2026 kostet die Einführung einer pauschalen Beihilfe rund 64 Millionen Euro zusätzlich – Geld, das dann für andere Aufgaben und Leistungen z.B. in der Bildung oder bei der Polizei fehlen wird.