Demografie: Die Umlagefinanzierung stößt an ihre Grenze
Das Problem: Im demografischen Wandel stößt die Umlagefinanzierung der GKV zunehmend an ihre Grenze. Ab 2025 werden die ersten Babyboomer in Rente gehen – das Verhältnis von Beitragszahlern und Leistungsempfängern wird sich zulasten der erwerbstätigen jüngeren Generationen verändern.
Das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) hat berechnet, welche Folgen diese demografischen Veränderungen für die GKV haben werden. Schon allein durch die Demografie – ohne sonstige Kostenanstiege – müsste der Bundeszuschuss bis 2030 bereits auf 30 Milliarden Euro im Jahr erhöht werden, wenn der bisherige GKV-Beitragssatz von 14,6 Prozent und der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz von 1,3 Prozent nicht weiter steigen soll.
Doch diese Summe würde bei weitem nicht reichen, denn es kommen noch die stetig steigenden Gesundheitskosten hinzu. Wenn die Einnahmen und Ausgaben der GKV künftig im gleichen Maße steigen wie in den vergangenen 20 Jahren, dann werden 2030 bereits rund 83 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt gebraucht, um die GKV-Beitragssätze stabil zu halten. In der Summe der Jahre 2022-2030 wären dafür 471,7 Mrd. Euro zusätzliche Steuermittel erforderlich.
„Steuerzuschüsse erzeugen lediglich eine Finanzierungsillusion“
Das WIP schreibt als Fazit: „Die GKV steht unter wachsendem finanziellen Druck. Dauerhaft höhere Steuerzuschüsse dürfen dafür nicht die Lösung sein, denn sie würden die ohnehin schon intransparente Finanzierungsstruktur noch ausweiten. Steuerzuschüsse erzeugen lediglich eine Finanzierungsillusion und machen die GKV von der Haushaltssituation des Bundes und damit vom Finanzminister abhängig. Ausgabenstrukturen werden verzerrt und Verantwortlichkeiten verwischt.“
Die Wissenschaftler ergänzen: „Mit steigender Steuerfinanzierung schwindet mehr und mehr der grundlegende Vorteil einer haushaltspolitisch weitgehend unabhängigen GKV. Für GKV-Versicherte werden die tatsächlichen Kosten ihres Krankheitsrisikos durch die mangelnde Transparenz verschleiert. GKV-Versicherten muss also klar sein, dass die finanzielle Schieflage der GKV weiterhin existiert und es über kurz oder lang erneute Diskussionen über Beitragssatzerhöhungen oder gar noch unpopulärere Leistungskürzungen geben wird.“
Auch für die Soziale Pflegeversicherung (SPV) hat das WIP den Finanzbedarf der nächsten Jahre berechnet. Wenn Einnahmen und Ausgaben der SPV künftig im gleichen Maße steigen wie in den vergangenen 20 Jahren, dann ergeben sich zusammen mit der demografischen Entwicklung folgende Aussichten: Um den Beitragssatz zur Pflegeversicherung konstant zu halten, muss der soeben erst eingeführte und zum 1.1.2022 beginnende Bundeszuschuss zur SPV schon in den nächsten acht Jahren um über 3.000 Prozent (!) steigen – von 1 Mrd. im Jahr 2022 auf 32,1 Mrd. Euro im Jahr 2030. In der Summe wären 156,5 Mrd. Euro bis zum Ende des Jahrzehnts (2022-2030) erforderlich.
Vor dem Hintergrund dieser demografischen Entwicklung verstoßen weitere Leistungsausweitungen in der umlagefinanzierten Sozialversicherung gegen das Gebot der Nachhaltigkeit. Denn egal ob durch Steuern oder Beiträge finanziert, sie gehen auf Kosten der nachfolgenden Generationen.
Die Steuerfinanzierung steht auch im Widerspruch zum dualen Krankenversicherungssystem aus Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung. Denn die Private Krankenversicherung erhält keine Steuerzuschüsse. Im Gegenteil: Nach Berechnungen des Wirtschaftsinstituts RWI tragen die Privatversicherten überproportional zu den Steuerzuschüssen an die GKV bei. Obwohl sie nur 10 Prozent der Versicherten in Deutschland stellen, sind sie als Steuerzahler mit mehr als 20 Prozent an der Finanzierung beteiligt.