Interview

In der Corona-Pandemie boomt die Nachfrage nach Videosprechstunden. Der PKV-Verband hat sich jetzt mit der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und den Beihilfeträgern auf Abrechnungsempfehlungen für telemedizinische Leistungen durch Zahnärzte verständigt.

25.02.2021 - Aus Sorge vor einer Infektion mit dem Coronavirus in der Arztpraxis sind viele Patienten auf Videosprechstunden umgestiegen. Auch Zahnärzte können telemedizinische Leistungen anbieten. Bei welchen zahnmedizinischen Behandlungen die digitale Kommunikation mit dem Patienten sinnvoll ist und nach welchen Vorgaben Zahnärzte diese Leistungen zukünftig abrechnen werden, haben wir Dr. Gonca Hassert, Zahnärztin beim PKV-Verband, gefragt.

In der Corona-Pandemie hat die Telemedizin in Deutschland einen großen Sprung gemacht. Vor allem das Interesse an Videosprechstunden ist rasant gestiegen. Gibt es diese Entwicklung auch in der Zahnmedizin?

Wir stellen fest, dass sich die Patientinnen und Patienten in der Covid19-Pandemie zunehmend mit telemedizinischen Angeboten wie der Videosprechstunde angefreundet haben. Ein hohes Interesse belegen auch repräsentative Umfragen wie vom Marktforschungsinstitut Dynata im Auftrag von jameda, Deutschlands größtem Arzt-Patienten-Portal, oder vom Digitalverband Bitkom. Die Patienten erkennen den verstärkten Nutzen von Videosprechstunden aus nachvollziehbaren Gründen: Die Ansteckungsgefahr im Wartezimmer wird vermieden, ältere und multimorbide Patientengruppen sparen sich den beschwerlichen Weg zur Arztpraxis. Die Telemedizin bringt aber auch den Ärztinnen und Ärzten mehrere Vorteile. Sie können notwendige Behandlungen, die Präsenz in der Arztpraxis erfordern, durch vorherige Videosprechstunden besser planen und vorbereiten.

Im zahnärztlichen Bereich gibt es bislang noch keine vergleichbare Studie. Zahnärzte beraten und behandeln ihre Patienten grundsätzlich im persönlichen Kontakt. Das hat den Hintergrund, dass in einer zahnärztlichen Behandlung in den allermeisten Fällen „Hand angelegt“ wird, das heißt es ist fast immer ein Blick in die Mundhöhle notwendig. Im ärztlichen Bereich nimmt die sprechende Medizin – die ja einen Großteil der telemedizinischen Leistung ausmacht –  schon durch die Struktur bestimmter Fachbereiche, wie die hausärztliche Betreuung oder Psychiatrie, mehr Raum ein als in der Zahnmedizin. Es gibt aber durchaus auch in der Zahnarztpraxis Fälle, in denen die Telemedizin zum Einsatz kommt.

In welchen Fällen dürfen Zahnärzte überhaupt eine telemedizinische Behandlung erbringen?

Man muss hier zwischen der Privaten Krankenversicherung (PKV) und Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unterscheiden.

Die Kassenzahnärzte und der GKV-Spitzenverband haben sich darauf geeinigt, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte ab Oktober 2020 bestimmte telemedizinische Leistungen in der vertragszahnärztlichen Versorgung erbringen können. Auf diese Leistungen haben allerdings nicht alle gesetzlich Versicherten Anspruch, sondern nur Pflegebedürftige oder Versicherte, die Eingliederungshilfe erhalten oder in stationären Pflegeheimen ambulant behandelt werden. Die Übereinkunft sieht die Aufnahme von Videosprechstunden, Videofallkonferenzen, Telekonsilien sowie eines Technikzuschlages in den Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA) vor. Insbesondere die Videosprechstunde ist ein sehr hilfreiches Instrument, bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Beeinträchtigung beispielsweise im Vorfeld eines Zahnarzttermins Symptome abzuklären und die aufsuchende Versorgung besser zu organisieren.

Im PKV-Bereich wird nicht nach Versichertengruppen unterschieden, telezahnmedizinische Behandlungen stehen grundsätzlich allen Versicherten offen.

Der Ärztetag hat im Mai 2018 das bisher geltende berufsrechtliche Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung gelockert und rechtliche Grundlagen für die Fernberatung und -behandlung geschaffen. Die Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien sind jetzt im Einzelfall auch ohne persönlichen Erstkontakt erlaubt. Vorausgesetzt wird, dass bei der Fernbehandlung die ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patienten über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt werden.

Während die Rechtslage bei Ärzten also weitgehend geklärt ist, wird die Fernbehandlung in den Berufsordnungen der Zahnärzte nicht erwähnt. Aus PKV-Sicht scheint eine Übertragung auf den zahnärztlichen Bereich gerechtfertigt. Dafür spricht u.a. auch, dass die Zahnärzte sich bei den Beratungsleistungen fast ausschließlich an der ärztlichen Gebührenordnung bedienen.

Bei welchen zahnmedizinischen Behandlungen sind eine Videosprechstunde oder eine Videofallkonferenz sinnvoll?

Über die aktuelle Indikation im GKV-Bereich hinaus sind weitere telezahnmedizinische Anwendungen wie Videokonferenzen zur Besprechung von Heil- und Kostenplänen oder Kostenvoranschläge, Aufklärung oder Beratung vor einem Eingriff sowie Konsultation nach einem Eingriff per Videokonferenz möglich. Grundsätzlich denkbar sind zudem alle Leistungen der sogenannten sprechenden Medizin wie das Arzt-Patienten-Gespräch sowie die Information von Angehörigen, die Erteilung medizinischer Ratschläge und Übermittlung diagnostischer Fakten sowie die Koordination von Folgebehandlungen, zum Beispiel eine Überweisung zum Facharzt. Dazu gehören auch Videofallkonferenzen mit dem Pflegepersonal oder ein videogestütztes Telekonsil mit anderen Facharztgruppen. Darüber hinaus bieten sich Videosprechstunden auch bei Gesprächen mit schlecht oder gar nicht deutschsprechenden Patienten an, die es auf diese Weise leichter haben, eine übersetzende Person hinzuzuziehen.

Und wie sieht es mit Diagnosen per Videoübertragung aus?

Wie oben schon erwähnt, ist in der Zahnmedizin in den meisten Fällen der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt und der Blick in den Mund unvermeidlich. Die technische Kamera-Ausstattung kann zwar einen Blick in den Mund ermöglichen, jedoch ist keine intensive Inspektion der Zähne, des Zahnhalteapparates oder der Kiefergelenke möglich. Dies könnte aber in absehbarer Zeit der Fall sein, wenn sich die Bildübertragung weiter verbessern wird.

Aktuell bestehen die telemedizinisch durchgeführten Maßnahmen hauptsächlich aus Leistungen der sprechenden Medizin. Da die meisten Beratungsleistungen im zahnmedizinischen Bereich ohnehin aus der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgegriffen werden, ist die gemeinsame Empfehlung der Bundeszahnärztekammer, den Beihilfeträgern und des PKV-Verbandes zur Abrechnung telemedizinischer Leistungen in großen Teilen deckungsgleich mit den Empfehlungen der Bundesärztekammer.

Welche Voraussetzung muss ein Zahnarzt erfüllen, um eine Videosprechstunde anbieten zu können?

Videosprechstunden und Videofallkonferenzen in der vertragszahnärztlichen Versorgung unterliegen definierten Standards. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und der GKV-Spitzenverband haben dazu in einer Vereinbarung Einzelheiten hinsichtlich Qualität und Sicherheit sowie Anforderungen an die technische Umsetzung von Videosprechstunden und die apparative Ausstattung festgelegt.

Die Qualitätsanforderungen für die IT-Ausstattung, den Datenschutz und die Datensicherheit gelten auch für den privatzahnärztlichen Bereich. Mit dem Behandlungsvertrag ist der behandelnde Arzt gegenüber dem Patienten verpflichtet, diese Anforderungen einzuhalten.

Wie können sich Patienten den Ablauf einer gewöhnlichen telezahnmedizinischen Behandlung vorstellen?

Wenn alle technischen Voraussetzungen erfüllt sind und eine Videoverbindung zwischen Zahnarzt und Patient hergestellt ist, wird der Zahnarzt zuerst das Anliegen des Patienten erfragen. Der Patient hat die Gelegenheit, seine Beschwerden ausführlich zu beschreiben. Der Zahnarzt wird mit gezielten Fragen versuchen, das Leiden des Patienten zu erkennen und ihm dann Rat zum weiteren Vorgehen erteilen. Das können spezifische Handlungsanweisungen sein wie beispielsweise die Anwendung einer antibakteriellen Spüllösung. Es kann auch eine weitere Videosprechstunde mit einem bestimmten zeitlichen Abstand vereinbart werden, in der der Verlauf der Beschwerden erfragt und bewertet wird. Je nach Beschwerden kann aber auch ein Folgetermin in der Praxis vereinbart werden.

Wie sieht es bei der Abrechnung aus, wird eine zahnmedizinische Leistung per Video vergütet wie die Behandlung in der Arztpraxis?

Wie bereits oben ausgeführt, werden die meisten Beratungsleistungen im zahnmedizinischen Bereich aus der GOÄ abgegriffen. Daher hat das Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen eine Abrechnungsempfehlung zu telemedizinischen Leistungen in Form des 38. Beschlusses erarbeitet und sich dabei an den Abrechnungsempfehlungen der Bundesärztekammer zu telemedizinischen Leistungen in der GOÄ (Deutsches Ärzteblatt | Jg. 117 | Heft 26 | 26. Juni 2020) orientiert und auf die Anwendung in der Zahnmedizin angepasst.

Die Empfehlungen zu telemedizinischen Leistungen in den aktuellen Beschlüssen des GOZ-Beratungsforums