Zu den entsprechenden Anträgen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anlässlich der öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 5. Mai 2021
I. Zum Antrag auf Drucksache 19/25349
Antrag der Faktion DIE LINKE
Rentenplus für pflegende Angehörige
Vorgeschlagene Regelungen
Mit dem Antrag der Fraktion DIE Linke „Rentenplus für pflegende Angehörige“ wird eine Evaluation der Sozialgesetzbücher in Bezug auf die Rentenansprüche pflegender Angehöriger vorgeschlagen sowie ein Gesetzentwurf zur Sicherung der Gleichbehandlung pflegender Angehöriger einschließlich einer besseren rentenrechtlichen Anerkennung ihrer Leistungen.
Bewertung
Eine Ausweitung der bisherigen Beitragszahlungen der privaten und sozialen Pflegeversicherung ist einerseits angesichts weiterhin ungeklärter Finanzierungsfragen nicht angezeigt sowie andererseits aufgrund der Zuordnung der Rentenversicherungsbeiträge als versicherungsfremde Leistung auch ge-nerell nicht über die gesetzliche Pflegeversicherung zu finanzieren.
Daher ist es wenig sinnvoll, aus Beiträgen einer Sozialversicherung (hier der Pflegeversicherung) die Leistungen einer anderen Sozialversicherung, wie der Rentenversicherung, in Form von Rentenversicherungsbeiträgen für Pflegepersonen nach § 44 SGB XI zu finanzieren. Hier wäre ein Bundeszuschuss an die Rentenversicherung zum Ausgleich dieser Kosten der richtige Weg. Die frei werdenden erheblichen Mittel könnten für eine bessere Pflegeversorgung eingesetzt werden. Durch die soziale Pflegeversicherung wurden bereits im Jahr 2019 für Rentenversicherungsbeiträge 2,47 Milliarden Euro und durch die private Pflegepflichtversicherung und die Beihilfe zusammen 140 Millionen Euro aufgewendet.
Darüber hinaus sollte keine Ausweitung der Umlagefinanzierung für neue oder erweiterte Leistungen im Rahmen der Pflegeversicherung erfolgen. Um angesichts des demografischen Wandels die Pflegeversicherung finanzierbar und generationengerecht zu halten, müssen die Beiträge zur Pflegeversicherung stabil bleiben. Daher sollten keine weiteren Leistungen der Pflegeversicherung eingeführt und die bestehenden Leistungen lediglich im Rahmen des § 30 SGB XI dynamisiert werden. Eine Pflegevollversicherung ist angesichts der Überalterung weder finanzierbar noch ist sie bedarfsgerecht.
Dies gilt umso mehr, als bereits zum 1. Januar 2017 durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und das neue Begutachtungsverfahren neue Voraussetzungen für die nichterwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen geschaffen wurden. Seitdem gelten leichtere Zugangsvoraussetzungen, daraus resultiert auch eine Steigerung der Anzahl rentenversicherungspflichtiger Pflegepersonen. Das räumt auch die Antragstellerin ein.
Die Maßgabe, dass Pflegepersonen maximal 30 Wochenstunden regelmäßig erwerbstätig sein dürfen, um Ansprüche aus nicht erwerbsmäßig tätiger Pflege zu erhalten, dient dem Schutz der Pflegeperson und der Vermeidung der Gefahr einer Selbstausbeutung. Es dient aber auch dem Schutz der Pflegebedürftigen. Ggf. muss dazu die ehrenamtliche Pflege durch den Einsatz professioneller Pflege ergänzt werden. Ziel der Regelung ist es nicht, unzureichende Rentenansprüche aus der Erwerbsbiographie zu ergänzen, sondern Personen, die die Berufstätigkeit für die Pflege einschränken, einen Ausgleich für den dadurch eintretenden Verlust an Entgeltpunkten in der Rentenversicherung zu bieten.
Zu II. 1)
Gefordert wird, dass alle Pflegepersonen unabhängig vom Erwerbsstatus und auch im Pflegegrad I zu-sätzliche Rentenansprüche aus Pflegetätigkeit erhalten. Dies erscheint nicht erforderlich, da im Pflegegrad 1 (geringe Beeinträchtigungen) der Pflegebedarf noch gering ist.
Zu II. 2)
Gefordert wird, dass die Beitragszahlungen der Pflegekassen an die gesetzliche Rentenversicherung für die Alterssicherung von Pflegepersonen deutlich erhöht werden. Durch die gewünschte Erhöhung der Beitragszahlungen erfolgt allerdings nur eine Umverteilung der Belastungen. Durch steigende Zahlun-gen erfolgen zwangsläufig auch Höherbelastungen des einzelnen Beitragszahlers und damit des Pflegebedürftigen selbst.
Zu II. 3)
Gefordert wird, dass Pflegepersonen in unterschiedlichen Versorgungsformen rentenrechtlich gleichgestellt werden. Die Betrachtung unterschiedlicher Versorgungsformen berücksichtigt, dass sich in diesen Fällen der Pflegeaufwand der Pflegepersonen durch eine teilweise Übernahme der Pflegetätigkeit durch einen ambulanten Pflegedienst reduziert.
II. Zum Antrag auf Drucksache 19/28781
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bessere Vereinbarkeit von Angehörigenpflege und Beruf durch eine PflegeZeit Plus
Vorgeschlagene Regelungen
Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Bessere Vereinbarkeit von Angehörigenpflege und Beruf durch eine PflegeZeit Plus“ enthält verschiedene Ansätze, mit denen pflegende Angehörige und auch Pflegebedürftige gestärkt werden sollen.
Bewertung
Zu II. 1)
In dem Antrag wird eine Weiterentwicklung des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes gefordert, die insbesondere mit der Einführung einer steuerfinanzierten Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige verbunden wird.
Dieses Thema wurde vom unabhängigen Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf nach § 14 FPfZG bereits in dessen erstem Bericht intensiv beleuchtet. Aktuell erarbeitet der Beirat Vorschläge für die Ausgestaltung einer steuerfinanzierten Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige einschließlich damit verbundener Freistellungen. Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) ist als Mitglied in dem Beirat vertreten und setzt sich dort für die Weiterentwicklung des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes ein. Dabei ist der PKV insbesondere die Zusammenlegung der beiden Gesetze und eine Vereinfachung der Regelungen wichtig, damit diese den Bedürfnissen der pflegenden Angehörigen besser gerecht werden.
Zu II. 3a)
Gefordert wird eine Verpflichtung des Qualitätsausschusses Pflege, ein geeignetes Instrument zur Aus-handlung wirtschaftlich tragfähiger Vergütungen und qualitätsgesicherter Leistungserbringung für die Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflege zu entwickeln.
Weiterentwicklungen im Bereich der Qualitätssicherung in der Pflege, die den Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen zu Gute kommen, sind zu begrüßen. Dafür setzt sich der PKV-Verband bereits unter anderem als Mitglied des Qualitätsausschusses nach § 113b SGB XI und bei der Durchführung der Qualitätsprüfungen durch den Prüfdienst des Verbandes der Privaten Krankenversicherung ein.
Zu II. 3b und 3c)
Gefordert wird die Einrichtung einer bundesweit einheitlichen und barrierefreien Notfall-Hotline, die kommunal betrieben wird und an die sich pflegende Angehörige wenden können, um schnellstmöglich Hilfe vor Ort zu erhalten. Gefordert wird weiter die Einrichtung eines zentralen, digitalen Registers, das die Auffindbarkeit und Erreichbarkeit von (Not-)betreuungsangeboten unterstützt.
Die Beratung und Unterstützung der Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen bei Fragen zur Pflegeversicherung und Ausgestaltung der Versorgung, auch in akuten Situationen, ist wichtig und wird in der privaten Pflegepflichtversicherung aktiv durch die compass private pflegeberatung GmbH, ein seit 2008 bestehendes Tochterunternehmen des PKV-Verbandes, ausgeübt und stetig fortentwickelt. So bietet compass nicht nur über die kostenlose, bundesweite Hotline telefonische Pflegeberatung an, sondern sucht bundesweit die Versicherten auf deren Wunsch hin zu Hause auf, um sie und ihre pflegenden Angehörigen dort zu beraten. Diese zugehende Beratung stellt eine wertvolle Unterstützung dar. Bei Bedarf wird auch ein Case-Management angeboten, wodurch gerade komplexe Versorgungsarrangements organisiert werden können. Flankiert werden diese Angebote durch das Online-Angebot www.pflegeberatung.de. Dort kann ein zentrales Register über die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen und Angebote zur Unterstützung im Alltag im Bundesgebiet mit Angabe der Leistungsinhalte und Preise eingesehen werden. In der privaten Pflegepflichtversicherung werden mit diesen seit Jahren bestehenden Angeboten sehr positive Erfahrungen gesammelt.
Zu II. 4)
Im Antrag werden Änderungen des Leistungsrechts, insbesondere im Bereich der Verhinderungspflege und des Entlastungsbetrages gefordert, um pflegende Angehörige besser zu unterstützen.
Es ist wichtig, pflegende Angehörige zu unterstützen und zu stärken, die eine tragende Säule der pflegerischen Versorgung bilden. Um dies zu erreichen, setzt die PKV sich unter anderem für eine Vereinfachung und Flexibilisierung des Leistungsrechts mit dem Ziel ein, dass die Leistungen „am Bett“ ankommen, also möglichst viel Pflege erbracht werden kann.