Stellungnahme 11. November 2022

Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit - Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD)

Einleitung

Mit dem vorliegenden Referentenentwurf wird eine Vereinbarung des Koalitionsvertrags für die 20. Legislaturperiode umgesetzt. Darin heißt es: „Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) überführen wir in eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen“. Der PKV-Verband unterstützt diese Ziele. Der mit dem Referentenentwurf beschrittene Weg ist allerdings nicht geeignet, die Ziele zu erreichen.

1.) Die Finanzierung einer Stiftung aus Mitteln von GKV und PKV ist verfehlt.

Beim Angebot der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die grundsätzlich aus Steuermitteln zu finanzieren ist. Die Bereitstellung von Informations- und Beratungsangeboten, die unabhängig von bestehenden Versicherungsverhältnissen auf sämtliche gesundheitliche und gesundheitsrechtliche Fragen ausgerichtet sind, der gesamten Bevölkerung zu Gute kommen und auch öffentliche Informationsfunktionen wahrnehmen, stellt sowohl in GKV wie PKV eine versicherungsfremde Leistung dar.

Versicherungsfremd sind Leistungen, die dem Versicherten regelmäßig nicht unmittelbar zugutekommen und dabei grundsätzlich nicht von der von ihm geschlossenen Versicherung abgedeckt sind, sodass die Versicherung bei Erbringung der Leistung nicht in Erfüllung ihrer unmittelbar aus der Versicherung folgenden Pflichten, sondern zur Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben tätig wird. Die Formulierung in § 65b Abs.1 SGB V-E, wonach Patientinnen und Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen qualitätsgesichert und kostenfrei informiert und beraten werden sollen mit dem Ziel, die „Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu stärken und mögliche Problemlagen im Gesundheitssystem“ aufzuzeigen, weisen über das Versicherungsverhältnis und damit die vertraglich vereinbarten Leistungen weit hinaus. Die Leistung der Patientenberatung soll zumal durch die Konstruktion der Stiftung bürgerlichen Rechts bewusst unabhängig von den Kostenträgern organisiert werden: Sie soll weder von ihnen erbracht noch inhaltlich bestimmt oder in der Ausführung kontrolliert werden.

Vor diesem Hintergrund ist die Finanzierung der geplanten Stiftung durch die Beitragszahler von GKV und PKV verfehlt. Konsequent wäre allein die Finanzierung aus Steuermitteln. Dies gilt umso mehr, da die – unbegründeten – Vorwürfe einer mangelnden Unabhängigkeit der aktuellen UPD gGmbH vor allem mit der bisherigen Finanzierung durch die Krankenversicherungen begründet worden sind.

2.) Das Verfassungsrecht verbietet eine Zahlungsverpflichtung der PKV.

Bei der vorgesehenen Einbeziehung der PKV handelt es sich um eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion. Sonderabgaben sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in engen Grenzen verfassungsgemäß. Eine ausufernde Statuierung von Sonderabgaben würde die Systematik der Finanzverfassung des Grundgesetzes aufweichen.   

Unzulässige Sonderabgaben verstoßen nicht nur gegen die Finanzverfassung des Bundes, sondern sie stellen zugleich auch eine Verletzung der Berufsfreiheit der verpflichteten Unternehmen dar (Art.12 Abs.1 GG). Gleichzeitig wird durch eine unzulässige Sonderabgabe auch der allgemeine Gleich-heitsgrundsatz verletzt (Art.3 Abs.1 GG).

Möglich wäre daher nur eine freiwillige Beteiligung der PKV an der UPD, wie sie bislang auch praktiziert wird. Die PKV kann Mittel für gesamtgesellschaftliche Aufgaben aufwenden, wenn sie dies für sinnvoll hält. Verpflichtet werden dazu kann sie aber nicht.

Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) steht zu seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. Deshalb hat er sich 2011 freiwillig zur Mitfinanzierung der UPD verpflichtet und wirkt im UPD-Beirat stimmberechtigt mit. 2015 wurde der PKV-Fördervertrag mit der neuen UPD gGmbH geschlossen, er gilt verbindlich von 2016 bis 2022. Zur gem. § 65b Abs.1 Satz 4 SGB V vorgesehenen Verlängerung der Tätigkeit der UPD gGmbH um 12 Monate hat der PKV-Verband wiederholt seine Bereitschaft erklärt.

Der PKV-Verband stellte der UPD entsprechend dem Anteil der Privatversicherten im Jahr 2016 630.000 EUR zur Verfügung. Das entspricht im Verhältnis der Höhe der Fördersumme nach § 65b Abs.2 SGB V, mit welcher der GKV-Spitzenverband die UPD fördert. In den Jahren 2017 bis 2022 hat sich dieser Betrag analog der prozentualen Veränderung der monatlichen Bezugsgröße nach §18 Abs.1 SGB IV im Vorjahr erhöht und beträgt aktuell 713.000 Euro.

3.) Die Konstruktion der Stiftung bedarf einer grundlegenden Überarbeitung.

In einem Gutachten für den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten haben die Professoren Gassner und Wollenschläger ausführlich auf potentielle Probleme bei der Etablierung einer Stiftung hingewiesen. Diese beziehen sich etwa auf die grundgesetzlich möglicherweise fehlende Verwaltungskompetenz, will man Regionalbüros einführen. Die Gründung einer Stiftung durch die öffentliche Hand aus rechtlicher Sicht sei „ein schwieriges Terrain, das zahlreiche Rechtsfragen aufwirft und deshalb auch eindeutige Aussagen zur Leistungsfähigkeit dieser Organisationsform für die Realisierung einer optimierten unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung“ erschwere.  Der Referentenentwurf beantwortet diese Fragen nicht. Warum eine Stiftung bürgerlichen und nicht öffentlichen Rechts errichtet werden soll, ist ebenfalls nicht bekannt.

Vorstand
Als geschäftsführendes Organ der Stiftung soll dem Gesetzentwurf zufolge der Stiftungsvorstand fungieren; er soll aus zwei Mitgliedern bestehen. Die in der Verordnung nach §140g genannten Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen sollen dem Stiftungsrat einvernehmlich zwei Personen zur Berufung in den Stiftungsvorstand vorschlagen. Der Stiftungsrat darf den Vorschlag nur aus wichtigem Grund ablehnen.

Unstrittig ist, dass die „maßgeblichen Patientenorganisationen“ beteiligt werden sollten, wie dies auch der Koalitionsvertrag vorsieht. Die gewählte Konstruktion geht darüber jedoch weit hinaus: Es obliegt den Patientenverbänden mit dem Vorschlagsrecht zur Besetzung des Vorstands die maßgebliche Entscheidung darüber, wie das Beratungsangebot hinsichtlich seiner Strukturen, aber auch zentraler Fragen der Steuerung und Organisation ausgestaltet sein soll. Dies ist nicht sachgerecht: Die Patientenverbände, selbst unzureichend demokratisch legitimiert, verfolgen eigene Interessen, gerade auch auf dem Feld der Beratung. Es besteht die Gefahr, dass die Unabhängigkeit der Stiftung in einer derartigen Konstruktion nicht gewährleistet werden kann. Eine „Beteiligung“ der Patientenorganisationen kann auch erreicht werden, wenn diese über kein Vorschlagsrecht zur Besetzung des Vorstandes verfügen.

Auffällig ist die Leerstelle bei der Definition eines Beratungskonzepts. Dieses war seinerzeit die Voraussetzung für die Vergabe der Fördermittel an den derzeitigen Betreiber der UPD gGmbH. Diese Aufgabe soll offenbar vollständig dem von den Patientenverbänden vorgeschlagenen Vorstand übertragen werden. Offen bleibt, ob die Stiftung ein Beratungsangebot mit eigenem Personal und eigenen Beratungsstellen aufbauen soll oder ob Beratungsstrukturen Dritter genutzt werden sollen. Die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten kann nicht allein dadurch gewährleistet werden, dass die Patientenverbände maßgeblich die Besetzung des Vorstandes verantworten.

Stiftungsrat
Der Mitglieder des Stiftungsrates sind der Patientenbeauftragte, vier Vertreter von Patientenorganisationen, zwei Mitglieder des Bundestages, zwei Vertreter von BMG und BMUV und je ein Vertreter von GKV und PKV. Die beiden letztgenannten haben ein Stimmrecht ausschließlich hinsichtlich der Entscheidungen über die Haushaltsaufstellung, die Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die Rechnungslegung.

Diese Regelung würde bedeuten, dass den Kostenträgern eine Beteiligung an der Überwachungsfunktion des Stiftungsrates in Bezug auf die Verfolgung des Stiftungszwecks völlig verwehrt wird. Bei allen anderen Entscheidungen können sie von der Mehrheit im Stiftungsrat überstimmt werden. Der Stiftungsrat entscheidet damit über Beitragsgelder von Versicherten, ohne dass die Kostenträger dafür selbst hinreichend Verantwortung übernehmen können. Dies ist abzulehnen.

Hintergrund der Regelung ist dabei offenkundig die Forderung nach einer „Unabhängigkeit“ von den Kostenträgern. Die Finanzierung an sich führt aber nicht zu einer Abhängigkeit, siehe § 65b Abs.11 S.7 SGB V-E: „Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie der Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. dürfen auf den Inhalt oder den Umfang der Tätigkeit der Stiftung keinen Einfluss nehmen.“

Es sei darauf verwiesen, dass unverzichtbare Anforderung an die Tätigkeit der UPD jederzeit die Unabhängigkeit des geförderten Beratungsangebots insbesondere von den Kostenträgern und Leistungserbringern war und ist. Die aktuell tätige UPD gGmbH wird extern wissenschaftlich durch die Prognos AG evaluiert. Komplementär zur Evaluation analysiert die Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung mbH (gsub) als Auditorin alle betrieblichen Prozesse und Bereiche, die für die Neutralität und Unabhängigkeit der UPD relevant sind. Sowohl die Evaluation als auch die Auditorin berichten dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung und dem UPD-Beirat. Weder die Auditorin noch die Prognos AG konnten Anhaltspunkte für Interessenkonflikte, mangelnde Unabhängigkeit oder fehlende Neutralität feststellen.

Die Formulierung des Koalitionsvertrages stellt auch auf das Erfordernis von „Staatsferne“ ab. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, warum die Vertreter von Regierung und Parlament (deren Wahl/Bestellung bleibt offen) jederzeit eine Mehrheit haben und die übrigen Mitglieder des Stiftungsrates überstimmen können.

4.) Es braucht eine Regelung für die bisherigen Mitarbeitenden der UPD.

Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung sollte ein Betriebsübergang für die Mitarbeitenden des aktuellen Fördermittelnehmers vorgesehen werden. Die Versicherten von GKV und PKV haben mit ihren Beiträgen zu einem Aufbau der Kompetenzen der UPD gGmbH und ihrer Mitarbeitenden beigetragen. Diese Kompetenzen für eine Neuorganisation nicht nutzbar zu machen, wäre eine nicht zu begründende Ressourcenverschwendung. Darüber hinaus hat die Regierungskoalition eine soziale Verantwortung für die Mitarbeitenden.

Sollte ein Betriebsübergang auf Widerstände stoßen, muss bereits vor dem 1. Januar 2024 Klarheit über Strukturen und Inhalte der Beratungstätigkeit geschaffen werden. Hintergrund ist der geplante Start der Beratungstätigkeit der Stiftung zu diesem Zeitpunkt, der vor dem Hintergrund der Fristen der parlamentarischen Beratungen in Frage gestellt werden muss. Es bedarf eines ausreichenden zeitlichen Vorlaufs, um Mitarbeitende einzustellen und einen gelungenen Transfer von Know-how zu realisieren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund von § 65b Abs.2 S.1 SGB V, wonach der Stiftungszweck zuvorderst durch ein bundesweites und zentral organisiertes digitales und telefonisches Informations- und Beratungsangebot realisiert wird. Dieses sind nämlich die Kernkompetenzen der Mitarbeitenden des aktuellen Fördermittelgebers.

5.) Abschluss

Der PKV-Verband erachtet den vorliegenden Referentenentwurf nicht für geeignet, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele rechtssicher und sachgerecht umzusetzen. Er schließt sich der mehrheitlich in der öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags am 9. November 2022 geäußerten Auffassung an, dass die UPD als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuermitteln zu finanzieren ist. Eine Verpflichtung der PKV zur Beteiligung an der Finanzierung ist verfassungsrechtlich nicht zulässig.