Die PKV begrüßt eine besser abgestimmte Notfallversorgung, die als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuermitteln finanziert werden sollte. In der PKV wird allerdings nach Leistungsfall abgerechnet, eine pauschale Finanzierung kassenärztlicher Strukturen ist daher nicht möglich.
Zusammenfassung
- Die PKV begrüßt grundsätzlich das Ziel einer besser abgestimmten Notfallversorgung. Bei der Einrichtung von Strukturen im Gesundheitswesen, insbesondere im Bereich der allgemeinen Gesundheits- und Daseinsvorsorge wie der Notfallversorgung, handelt es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die aus Steuermitteln finanziert werden sollten.
- Leistungen können in der PKV nur dann finanziert und entsprechend für die Versicherungstarife kalkuliert werden, wenn sie einem Leistungsfall zugeordnet werden können. Insofern kann sich die PKV nicht an einer pauschalen Finanzierung von kassenärztlichen Strukturen beteiligen.
- Für eine rechtssichere Abrechnung ist es erforderlich, auch in der Notfallversorgung eine Zuordnung zu einem konkreten Leistungsfall durchzuführen. Es wird angeregt, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, um eine leistungsbezogene Abrechnung in der PKV zu ermöglichen und um die Bedarfsgerechtigkeit der Strukturen nachhalten zu können.
- Auf technischer Ebene muss für PKV-Versicherte ein gleichberechtigter Zugang zu den Notfallstrukturen gegeben sein. Dies gilt insbesondere für die medienbruchfreie Datenübermittlung bei der Notfallversorgung und der Nutzung von TI-Anwendungen. Die Krankenversichertennummer (KVNR) ist dabei das zentrale Ordnungskriterium. Damit im Notfall auch Privatversicherten bestmöglich geholfen werden kann, muss ausnahmslos für jeden Versicherten im Bestand eine KVNR vorhanden sein. Dafür müssen die PKV-Unternehmen die Möglichkeit erhalten, eine KVNR auch ohne explizite Einwilligung der Versicherten anzulegen.
I. Allgemeine Anmerkungen
Das NotfallG benennt als Ziel, die drei Versorgungsbereiche – ambulant-kassenärztlicher Notdienst, Rettungsdienste und Notaufnahmen der Krankenhäuser –, die sich alle um die Versorgung von gesundheitsbezogenen Akut- und Notfällen kümmern, besser zu vernetzen und aufeinander abzustimmen. Hierfür sollen die telefonische Steuerung und Zuordnung von Hilfesuchenden in die richtige Versorgungsebene erleichtert und die Notaufnahmen der Krankenhäuser entlastet werden. Deutschland zeichnet sich durch einen hohen Anteil von Fällen aus, die in stationären Einrichtungen versorgt werden, obwohl eine ambulante Behandlung ausreichend wäre. Die unterschiedlichen Rufnummern, 116117 für den kassenärztlichen Notdienst sowie die 112 für den Rettungsdienst, sollen weiter bestehen bleiben. Unterhalb dieser Struktur soll es jedoch eine enge Kooperation zwischen den jeweiligen Einheiten geben und die eingesetzten Systeme zur Ersteinschätzung vereinheitlicht werden.
Um eine wirksame Entlastung der Krankenhausstrukturen zu erreichen, soll die durch die kassenärztlichen Vereinigungen organisierte ambulante Akutversorgung gestärkt werden. Hier ist der bundesweite Aufbau von integrierten Notfallzentren geplant, in denen nach dem Prinzip des „gemeinsamen Tresens“ eine gezielte Steuerung der Patientinnen und Patienten in den passenden Versorgungsbereich stattfindet. Für die telefonische Beratung ist eine 24/7 Erreichbarkeit mit definiertem Servicelevel vorgesehen. Zudem soll der ärztliche Bereitschaftsdienst personell erheblich aufgestockt und das Angebot um Videosprechstunden und Hausbesuche erweitert werden.
Die PKV begrüßt grundsätzlich das Ziel einer besser abgestimmten Notfallversorgung. Nur wenn es gelingt, hier verlässliche und für die Bürgerinnen und Bürger einfach verständliche, transparente und funktionierende Versorgungsprozesse zu schaffen, wird eine Umsteuerung und Entlastung stationärer Strukturen gelingen. Hinsichtlich des benötigten ärztlichen Fachpersonals, z.B. in Bezug auf die Poolärzte, sollten bestehende arbeits- und beitragsrechtliche Hürden abgebaut werden, damit das vorhandene Potential ausgeschöpft wird und keine neuen Lücken im bestehenden ambulant-ärztlichen Versorgungssystem entstehen. Eine Ausweitung der Versicherungspflicht, insbesondere bei Ärztinnen und Ärzten im Ruhestand, bei denen kein gesetzlicher Absicherungsbedarf besteht, führt im Zweifel dazu, dass sich diese dringend benötigten Fachkräfte aufgrund der hohen Kosten zurückziehen.
Auch für privat Krankenversicherte und beihilfeberechtigte Personen können verbesserte und serviceorientierte Strukturen in der Notfallversorgung vorteilhaft sein. Insofern besteht seitens der Privaten Krankenversicherung die Bereitschaft, die entsprechenden notwendigen Aufwendungen der medizinischen Notfallbehandlung auch leistungsbezogen angemessen zu vergüten. Um eine rechts- und systemgerechte Ausgestaltung zu erreichen, ist eine einzelfallbezogene Abrechnung erforderlich. Hierfür sollten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die entsprechenden Grundlagen für die Dokumentation und Abrechnung geschaffen werden.
Eine Mitfinanzierung durch die Private Krankenversicherung setzt zwingend voraus, dass sich neben der Gesetzlichen Krankenversicherung auch alle anderen Kostenträger beteiligen, deren Leistungsberechtigte in diesen Strukturen versorgt werden. Dies sind insbesondere die Beihilfe, die Bundesländer für die Berufsgruppen, welche Beihilfe oder freie Heilfürsorge beziehen oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Bund für die Bundesbeihilfe und für Anspruchsberechtigte auf freie Heilfürsorge sowie die Unfallversicherung.
Der Finanzierung muss ein gleichberechtigter Zugang der PKV-Versicherten zu den Notfallstrukturen gegenüberstehen. Dies gilt insbesondere für die medienbruchfreie Datenübermittlung bei der Notfallversorgung zwischen den beteiligten Einheiten: Hier muss sichergestellt werden, dass diese digitalen Strukturen auch für Privatversicherte und beihilfeberechtigte Personengruppen funktionieren und nutzbar sind.
Es muss die Nutzung der Telematikinfrastruktur (TI) und ihrer Anwendungen wie des TI-Messengers (TIM) oder des Kommunikationsdienstes KIM (Kommunikation im Medizinwesen) gleichberechtigt möglich sein. Dem Notfall- und Rettungsdienst sollte unbedingt ein von der elektronischen Gesundheitskarte unabhängiger Zugriff auf die elektronische Patientenakte (ePA) eingerichtet werden; die Voraussetzungen hierfür sind zum heutigen Zeitpunkt nicht gegeben. Ebenso ist es erforderlich, dass Privatversicherten in der Notfallversorgung elektronische Verordnungen ausgestellt werden können (insb. E-Rezept). Da dem Ordnungsmerkmal der einheitlichen Krankenversichertennummer (KVNR) hier eine wichtige Rolle zukommt und diese in der Folge absehbar immer wichtiger werden wird, verweisen wir nochmals auf unsere Forderung der zustimmungsfreien, obligatorischen KVNR-Anlage für die Mitgliedsunternehmen für alle Bestandsversicherten.
II. Zu ausgewählten Regelungen des Gesetzentwurfs
Zu Art. 1 Nr. 8 (§ 105 Abs. 1b S. SGB V-E – Einbeziehung der PKV in die Finanzierung)
Vorgeschlagene Regelung:
In § 105 Abs. 1b SGB V-E wird festgelegt, dass Kassenärztliche Vereinigungen und die Krankenkassen zweckgebunden die neuen Strukturen finanzieren und dazu verhandeln. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen sind in diese Vertragsverhandlungen einzubeziehen, um eine finanzielle Beteiligung an den Strukturen des Notdienstes zu vereinbaren. Das Nähere zur Umsetzung dieser Beteiligung durch die einzelnen Krankenversicherungsunternehmen soll der PKV-Verband bestimmen. Für die verwendeten Mittel wird eine Ausgleichsberechnung mit den Mitteln der Gesamtvergütung und der Honorarvolumina nach § 87b Abs. 1 SGB V vorgesehen.
Bewertung:
Grundsätzlich handelt es sich bei der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Strukturfinanzierung um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die der Daseins- und Gesundheitsversorgung dient und allen Menschen, unabhängig vom Versicherungsstatus, zugutekommt. Neben gesetzlich und privat krankenversicherten Personengruppen profitieren von den neuen Strukturen auch Personen, die keinem der beiden Krankenversichertensysteme angehören. Dazu gehören etwa Personengruppen mit Anspruch auf Freie Heilfürsorge (v.a. Polizei, Feuerwehr oder Bundeswehr), Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen oder Reisende aus dem Ausland. Aus diesem Grunde ist mindestens eine Mitfinanzierung aus Steuermitteln geboten.
Eine pauschale Abgeltung von Aufwänden, wie sie beim Aufbau neuer Strukturen in der Notfallversorgung beabsichtigt ist, ist der privaten Krankenversicherung nicht möglich. Pauschale Finanzierungen sind der PKV systemfremd, zumal wenn sie nicht leistungsbezogen – gewissermaßen als „Vorhaltevergütung“ - in bestimmte Finanzierungstöpfe der Kassenärztlichen Vereinigungen fließen. Eine rechts- und revisionssichere Abrechnung, die auch der aufsichtsrechtlichen Prüfung standhält, ist ausschließlich durch eine leistungsbezogene Einzelfallabrechnung möglich. Nur dann können die Aufwendungen dem entsprechenden Leistungsfall zugeordnet und tariflich gezahlt werden.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die KBV haben den gesetzlichen Auftrag, die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen, einschließlich des Notdienstes zu sprechstundenfreien Zeiten. Dafür erhalten sie von den gesetzlichen Krankenkassen die so genannte morbiditätsorientierte Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung. Die Vergütung ärztlicher Leistungen für Privatversicherte basiert hingegen auf der GOÄ; der Honoraranspruch des Arztes richtet sich gegen den Versicherten. Eine Verknüpfung der beiden Systeme ist nicht ohne weiteres möglich.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens könnten die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden, damit Privatversicherte und beihilfeberechtigte Personengruppen entsprechend ihrer Nutzung an der Finanzierung der Notfallbehandlung beteiligt werden können. Dies kann ggf. durch Zuschläge oder Abrechnungsziffern erfolgen. Der PKV-Verband bringt sich gern mit entsprechenden Vorschlägen ein.
Bei der Anwendung der Notfallsysteme ist darauf zu achten, dass eine medienbruchfreie Datenübertragung von Gesundheitsdaten und die Nutzung der TI-Strukturen zur Übermittlung erforderlicher behandlungsrelevanter Informationen an die jeweilige Einrichtung oder den Arzt auch für Privatpatienten sichergestellt sind. Hier lässt sich bislang noch kein Anspruch aus dem Gesetzentwurf ableiten.
Änderungsvorschlag:
Die bisherigen Sätze 2 bis 4 sind zu streichen. Sie werden ersetzt durch die neuen Sätze 2 und 3:„Der Bund, die Länder und die gesetzliche Unfallversicherung beteiligen sich an der Finanzierung der Strukturen des Notdienstes. Die Vertragspartner nach Satz 1 können gemeinsam mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung eine Beteiligung der privaten Krankenversicherungsunternehmen auf einer leistungs- und fallbezogenen Grundlage vereinbaren, sofern und insoweit die betreffenden Strukturkosten nicht bereits über Rettungsdienstgebühren und -entgelte finanziert werden.“
Der bisherige Satz 6 wird wie folgt neu gefasst: „Die Kassenärztlichen Vereinigungen legen hierzu ihren Vertragspartnern und dem Verband der Privaten Krankenversicherung eine detaillierte Kalkulation und den Nachweis über das Vorliegen der Voraussetzungen insbesondere zur Vernetzung und Kooperation vor.“
III. Weiterer gesetzlicher Anpassungsbedarf
Zustimmungsfreie Bildung der einheitlichen KVNR durch die PKV-Unternehmen
Die KVNR nach § 290 Abs. 1 S. 2 SGB V ist als zentrales Zuordnungskriterium für Personen zunehmend unabdingbar bei Digitalisierungsvorhaben im Gesundheitswesen. Die geplante Reform der Notfallversorgung wird dazu führen, die beteiligten Einrichtungen digital besser zu vernetzen und TI-Anwendungen auch in diesem Kontext zum Einsatz zu bringen. Die KVNR ist in diesem Zusammenhang eine notwendige Voraussetzung für den Zugang und die Nutzung der Anwendungen der TI, insbesondere der ePA, des E-Rezepts und der E-Rechnung, und stellt insoweit dauerhaft die zwingend erforderliche korrekte Zuordnung der sensiblen (Gesundheits-) Daten der Versicherten sicher. Sie bildet zudem die Grundlage für die GesundheitsID, über die man sich ohne elektronische Gesundheitskarte (eGK) in Arztpraxen, auch in Notfallpraxen, oder im Rahmen einer Videosprechstunde mit dem ärztlichen Notdienst einchecken und die Nutzung von TI-Anwendungen im Rahmen der Behandlung ermöglichen kann.
Anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht in der PKV kein gesetzlicher Automatismus zur Bereitstellung einer KVNR, so dass Privatversicherte einschließlich Beihilfeberechtigte bislang i. d. R. nicht über eine KVNR verfügen. Für diesen Personenkreis muss die KVNR im Rahmen eines individuellen Prozesses aufwändig generiert werden. Dabei ist die aktive Mitwirkung der Versicherten zwingend erforderlich, insbesondere in Form ausdrücklicher datenschutzrechtlicher Einwilligungen in die Nutzung von personenbezogenen Daten, um die KVNR bilden zu lassen. Konkret bedarf es insoweit einer datenschutzrechtlichen Verarbeitungsbefugnis sowie der erforderlichen Offenlegungsbefugnis bzgl. des Bestehens des jeweiligen Versicherungsverhältnisses gegenüber den in die KVNR-Bildung zwingend einzubeziehenden Stellen bei der Deutschen Rentenversicherung und der Vertrauensstelle Krankenversichertennummer. Unzureichende Rückmeldequoten der Bestandsversicherten auf die Mailings der Versicherer machen eine flächendeckende Ausstattung der Versicherten der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung jedoch faktisch unmöglich und verursachen hohe administrative und finanzielle Aufwände bei allen Beteiligten.
Vor diesem Hintergrund ist die Schaffung einer gesetzlichen Regelung für eine obligatorische einwilligungsfreie Ausstattung Privatversicherter und Beihilfeberechtigter mit KVNR zwingend erforderlich. Konkrete Regelungsvorschläge liegen dem BMG vor. Diese sollten schnellstmöglich gesetzlich verankert werden.