Stellungnahme 04. November 2024

Eine besser koordinierte und abgestimmte Notfallversorgung ist dringend notwendig. Die Einrichtung der dafür notwendigen Strukturen ist jedoch gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuermitteln zu finanzieren ist.

Zusammenfassung

  • Die PKV begrüßt grundsätzlich das Ziel einer besser koordinierten und abgestimmten Notfallversorgung, die allen betroffenen Patientinnen und Patienten unabhängig vom Versicherungsstatus, zugutekommt. Bei der Einrichtung von Strukturen im Gesundheitswesen, insbesondere im Bereich der allgemeinen Gesundheits- und Daseinsvorsorge wie der Notfallversorgung, handelt es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die aus Steuermitteln finanziert werden sollten.
  • Leistungen können in der PKV grundsätzlich nur dann finanziert und entsprechend für die Versicherungstarife kalkuliert werden, wenn sie konkret bezeichnet und einem Leis-tungsfall zugeordnet werden können. Insofern kann sich die PKV nicht undifferenziert und dauerhaft an einer pauschalen Finanzierung von kassenärztlichen Strukturen beteiligen.
  • Für eine rechtssichere Abrechnung ist es erforderlich, auch in der Notfallversorgung eine Zuordnung zu einem konkreten Leistungsfall durchzuführen. Der Fallbezug ergibt sich über die vorgesehene Vergütung der Ersteinschätzung. Strukturkosten, die sich nur auf das vertragsärztliche Versorgungssystem beziehen, können nicht auf die Private Krankenversicherung umgelegt werden.
  • Auf technischer Ebene muss für PKV-Versicherte eine gleichberechtigte und medienbruchfreie Nutzung im Rahmen der Notfallversorgung sowie der Versorgung in der Medizinischen Notfallrettung gegeben sein. Die Krankenversichertennummer (KVNR) ist dabei das zentrale Ordnungskriterium. Damit im Notfall auch Privatversicherten bestmöglich geholfen werden kann, muss ausnahmslos für jeden Versicherten im Bestand eine KVNR vorhanden sein. Dies geht nur über eine entsprechende gesetzliche Regelung. Formulierungsvorschläge hierzu liegen vor. Diese müssen nun schnellstmöglich umgesetzt werden. 

I. Allgemeine Anmerkungen

Der Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung benennt als Ziel, die drei Versorgungs-bereiche – ambulant-kassenärztlicher Notdienst, Rettungsdienste und Notaufnahmen der Krankenhäuser –, die sich alle um die Versorgung von gesundheitsbezogenen Akut- und Notfällen kümmern, besser zu vernetzen und aufeinander abzustimmen. Hierfür sollen die telefonische Steuerung und Zuordnung von Hilfesuchenden in die richtige Versorgungsebene erleichtert und die Notaufnahmen der Krankenhäuser entlastet werden. Deutschland zeichnet sich durch einen hohen Anteil von Fällen aus, die in stationären Einrichtungen versorgt werden, obwohl eine ambulante Behandlung ausreichend wäre. Die unterschiedlichen Ruf-nummern, 116117 für den kassenärztlichen Notdienst sowie die 112 für den Rettungsdienst, sollen weiter bestehen bleiben. Unterhalb dieser Struktur soll es jedoch eine enge Kooperation zwischen den jeweiligen Einheiten geben und die eingesetzten Systeme zur Ersteinschätzung vereinheitlicht werden.

Um eine wirksame Entlastung der Krankenhausstrukturen zu erreichen, soll der durch die kassenärztlichen Vereinigungen organisierte Notdienst gestärkt werden. In Kooperation mit den Krankenhäusern ist der bundesweite Aufbau von integrierten Notfallzentren geplant, in denen nach dem Prinzip des „gemeinsamen Tresens“ eine gezielte Steuerung der Patientinnen und Patienten in den passenden Versorgungsbereich stattfindet. Für die telefonische Beratung ist eine 24/7-Erreichbarkeit mit definiertem Servicelevel vorgesehen. Zudem soll der vertragsärztliche Notdienst um Videosprechstunden und Hausbesuche erweitert werden.

Die PKV begrüßt grundsätzlich das Ziel einer besser abgestimmten Notfallversorgung. Nur wenn es gelingt, hier verlässliche und für die Bürgerinnen und Bürger einfach verständliche, transparente und funktionierende Versorgungsprozesse zu schaffen, wird eine Umsteuerung und Entlastung stationärer Strukturen gelingen. Hinsichtlich des benötigten ärztlichen Fachpersonals, zum Beispiel in Bezug auf die Poolärzte, sollten bestehende arbeits- und beitragsrechtliche Hürden abgebaut werden, damit das vorhandene Potential ausgeschöpft wird und keine neuen Lücken im bestehenden ambulant-ärztlichen Versorgungssystem entstehen. Eine Ausweitung der Versicherungspflicht, insbesondere bei Ärztinnen und Ärzten im Ruhestand, bei denen kein gesetzlicher Absicherungsbedarf besteht, führt im Zweifel dazu, dass sich diese dringend benötigten Fachkräfte aufgrund der hohen Kosten zurückziehen.  

Auch für privat Krankenversicherte und beihilfeberechtigte Personen können verbesserte und serviceorientierte Strukturen in der Notfallversorgung vorteilhaft sein. Insofern besteht seitens der Privaten Krankenversicherung die Bereitschaft, die entsprechenden notwendigen Aufwendungen der medizinischen Notfallbehandlung auch fall- und leistungsbezogen angemessen zu vergüten. Um eine rechtssichere und systemgerechte Ausgestaltung zu erreichen, ist eine einzelfallbezogene Abrechnung erforderlich. Hierfür sollten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die entsprechenden Grundlagen für die Dokumentation und Abrechnung geschaffen werden.

Pauschale Aufbau- und Strukturkosten für die Notfallversorgung können dagegen nicht auf die Private Krankenversicherung umgelegt werden. Hierbei handelt es sich um Daseinsvorsorge des Staates und gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die grundsätzlich aus Steuermitteln getragen müssen. Dieser Auffassung ist auch der Gesundheitsminister, der in seinem Schreiben vom 17. Juli 2024 zur Erläuterung dieses Kabinettbeschlusses wörtlich „das Recht der Bevölkerung bei jeder Art von Notfällen flächendeckend, hochwertig und schnell versorgt zu werden, als Teil der Daseinsvorsorge des Staates“ benennt. Daraus ergibt sich, dass diese Vorhaben auch mit staatlichen Mitteln zu finanzieren sind. Dies wird mit dem Gesetzentwurf allerdings nicht umgesetzt, sondern die Finanzierung vollständig auf die Partner der Selbstverwaltung abgewälzt.

Sofern an der Finanzierungsvorgabe festgehalten wird, setzt eine Mitfinanzierung durch die Private Krankenversicherung zwingend voraus, dass sich neben der Gesetzlichen Krankenversicherung auch alle anderen Kostenträger beteiligen, deren Leistungsberechtigte in diesen Strukturen versorgt werden. Dies sind insbesondere die Beihilfe, die Bundesländer für die Berufsgruppen, welche freie Heilfürsorge beziehen oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Bund für die Bundesbeihilfe und für Anspruchsberechtigte auf freie Heilfürsorge sowie die Unfallversicherung.

Der Finanzierung muss dann ein gleichberechtigter Zugang der PKV-Versicherten zu den Notfallstrukturen gegenüberstehen. Dies gilt insbesondere für die medienbruchfreie Datenübermittlung bei der Notfallversorgung zwischen den beteiligten Einheiten: Hier muss sichergestellt werden, dass diese digitalen Strukturen auch für Privatversicherte und beihilfeberechtigte Personengruppen funktionieren und nutzbar sind.

Es muss die Nutzung der Telematikinfrastruktur (TI) und ihrer Anwendungen wie TI-Messenger (TI-M) oder Kommunikation im Gesundheitswesen (KIM) gleichberechtigt möglich sein. Dem Notfall- und Rettungsdienst sollte unbedingt ein von der elektronischen Gesundheitskarte unabhängiger Zugriff auf die elektronische Patientenakte (ePA) eingerichtet wer-den; die Voraussetzungen hierfür sind zum heutigen Zeitpunkt nicht gegeben. Ebenso ist es erforderlich, dass Privatversicherten in der Notfallversorgung elektronische Verordnungen ausgestellt werden können (insbesondere E-Rezept). Da dem Ordnungsmerkmal der einheitlichen Krankenversichertennummer (KVNR) hier eine wichtige Rolle zukommt und diese in der Folge absehbar immer wichtiger werden wird, verweisen wir nochmals auf unsere Forderung der zustimmungsfreien, obligatorischen KVNR-Anlage für die Mitgliedsunternehmen für alle Bestandsversicherten.