Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen (Digital-Gesetz – DigiG) - Drucksache 20/9048. Anlässlich der öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 15. November 2023.
Die Private Krankenversicherung unterstützt das Ziel der Bundesregierung, die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu beschleunigen und die neuen digitalen Möglichkeiten flächendeckend in die Versorgung zu bringen. Die Kabinettfassung des Digital-Gesetzes sieht die Opt-out-ePA nun auch für die PKV vor. Damit die Anwendungen auch in der Praxis funktionieren und Privatversicherte einschließlich der Beihilfeberechtigten hieran hinreichend und gleichberechtigt partizipieren können, bedarf es an einzelnen Stellen jedoch zwingend der Schaffung weiterer gesetzlicher Grundlagen:
- Ermöglichung der zustimmungsfreien, obligatorischen Bildung von Krankenversichertennummern (KVNR) für alle PKV-Versicherten samt Beihilfeberechtigten, um diesen flächendeckend und unbürokratisch den Zugang zur Telematikinfrastruktur (TI) und deren Anwendungen sowie für gesetzliche Registermeldungen und weitere Anwendungen (u.a. Transplantateregister, Krebsregister, Modellvorhaben nach § 64e SGB V) zu gewährleisten,
- Berechtigung der Ärztinnen und Ärzte sowie weiterer Leistungserbringer, die ePA mit medizinischen Daten zu befüllen, damit diese zur angestrebten Optimierung der Versorgung genutzt werden können,
- Aufnahme der E-Rezept-Funktionalität – analog zur GKV – in die elektronischen Patientenakten (ePA) der PKV, um die Anwendungen nutzerfreundlich in einer App zu bündeln und damit letztlich eine weitestmögliche Nutzung des E-Rezeptes zu erreichen und
- Klarstellung, dass mit der TI verbundene Investitions- und Betriebskosten der PKV als Versicherungsleistungen gelten, damit die Zahlung rechtssicher erfolgen kann.
I. Allgemeine Anmerkungen
Mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz) sollen die Grundlagen dafür geschaffen werden, dass die digitale Transformation des Gesundheitswesens und in der Pflege gelingt. Insbesondere wird der Paradigmenwechsel von der bisher einwilligungsbasierten Opt-in-ePA hin zu einer widerspruchsbasierten Opt-out-ePA geregelt, welche künftig die Basisanwendung für die Speicherung, den Zugriff und die Nutzung persönlicher Gesundheitsdaten darstellen soll. Darüber hinaus werden die Grundlagen zur Weiterentwicklung des E-Rezepts, zur verbesserten Nutzung von digitalen Gesundheitsanwendungen in der Versorgung sowie zur Weiterentwicklung von Videosprechstunden und -konsilen gelegt. Es werden digitale Versorgungsprozesse in strukturierten Behandlungsprogrammen ermöglicht, der Austausch von Daten erleichtert (Interoperabilität) und die Cybersicherheit erhöht.
Die Private Kranken- und Pflegeversicherung begrüßt und unterstützt ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu beschleunigen und die neuen digitalen Möglichkeiten flächendeckend in der Versorgung zu verankern. Dies setzt zwingend voraus, dass auch Privatversicherte einschließlich Beihilfeberechtigter an der angestrebten „TI für alle“ hinreichend und gleichberechtigt partizipieren können. Hierzu bedarf es der Schaffung ausreichender und hinreichend klarer gesetzlicher Grundlagen, welche die Belange der Versicherten auch außerhalb der GKV berücksichtigen und die Umsetzbarkeit für die Kostenträger sicherstellen.
- Für die Versicherten der GKV und der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung (PKV) ist die Bereitstellung einer eindeutigen Krankenversichertennummer (KVNR) zwingende und unverzichtbare Voraussetzung für den Zugang zu den Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) und insbesondere für die Nutzung elektronischer Patientenakten (ePA). Die Ausstattung der Versicherten mit KVNR stellt kostenträgersystemübergreifend die notwendige Grundlage für die Nutzung aller digitaler Dienste innerhalb der TI dar. Sie ermöglicht erst die unabdingbar zweifelsfreie Zuordnung der Versicherten zu den TI-Anwendungen und den innerhalb der TI verarbeiteten (Gesundheits-)Daten. Die KVNR stellt gleichsam die Grundlage für digitale Identitäten dar, mit welcher sich PKV-Versicherte künftig ohne elektronische Gesundheitskarte (eGK) mit ihrem Smartphone gegenüber TI-Anwendungen wie der ePA-App oder der E-Rezept-App authentisieren. Zudem wird die KVNR auch bei PKV-Versicherten und Beihilfeberechtigten benötigt, wenn die Herstellung eines eindeutigen Personenbezuges zum Patienten außerhalb des TI-Kontextes erforderlich ist (z. B. Implantateregister, Krebsregister, Teilnahme an Modellvorhaben nach § 64e SGB V). Privatversicherte müssen bislang aktiv bei der Generierung der KVNR mitwirken, sei es durch Mitteilung der für deren Bildung erforderlichen (Adress-)Daten und / oder durch ausdrückliche Einwilligung zur Verarbeitung der bei den Versicherern vorliegenden Informationen. Dies führt in der Praxis sowohl für die Versicherten als auch für die Versicherer zu erheblichem Aufwand und stellt das Ziel einer flächendeckenden Ausstattung der Privatversicherten mit KVNR infrage. Es bedarf daher der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine obligatorische, einwilligungs- bzw. mitwirkungsunabhängige KVNR-Anlage auch in der PKV und für die Beihilfe, um sowohl eine maximale Marktdurchdringung der TI-Angebote als auch die Erfüllung rechtlicher Vorgaben bzw. Meldeverpflichtungen (insb. bzgl. vorgenannter Register) zu gewährleisten sowie das im Gesetzentwurf vorgesehene Verfahren zur Bereitstellung der ePA praktisch umsetzen zu können.
- Das Ziel einer „ePA für alle“ im Umsetzung der Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung soll mit der sog. Opt-out-ePA, also einer obligatorischen Zurverfügungstellung von ePA für alle Versicherten mit verschiedenen Widerspruchsmöglichkeiten (sog. widerspruchsbasierte Akte), für die GKV verbindlich umgesetzt werden. Die gesetzlichen Krankenkassen sind entsprechend verpflichtet, all ihren Versicherten eine Opt-out-ePA bereitzustellen. Gemäß der Gesetzesbegründung soll durch die vorgesehene Neuregelung in § 362 Abs. 1 SGB V (neu) sichergestellt werden, dass auch Unternehmen der PKV, wenn sie ihren Versicherten innerhalb der TI eine ePA anbieten, die gesetzlichen Regelungen zur widerspruchsbasierten Akte entsprechend einzuhalten haben.
- Eine Verpflichtung der Leistungserbringer zur Befüllung der ePA für Privatversicherte ist nicht gegeben. Damit die elektronische Patientenakte ihren Nutzen entfalten kann, sollte sichergestellt sein, dass Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Leistungserbringer aber zumindest elektronische Patientenakten von Privatversicherten rechtssicher befüllen dürfen.
- Auch Unternehmen der PKV sollten – analog zur GKV – die Möglichkeit haben, E-Rezept-Funktionalitäten in ePA-Apps anzubieten, da das Zusammenführen in einer App mehr Nutzungskomfort schafft und das Potenzial hat, sowohl die Nutzung des E-Rezepts als auch der ePA bei PKV-Versicherten und Beihilfeberechtigten zu steigern.
- Um für die PKV-Unternehmen und deren Versicherungsnehmer für das Angebot und die Nutzung der digitalen TI-Services eine valide vertragliche Grundlage zu schaffen und die damit verbundenen Kosten sachgerecht kalkulatorisch abzubilden und refinanzieren, bedarf es der Ergänzung einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage zur tariflichen Klassifizierung der neuen Digitalangebote als Versicherungsleistungen.
II. Zu ausgewählten Regelungen des Gesetzentwurfs
Zu Art. 1 Nrn. 56 und 57 (§§ 358, 359 SGB V – Überführung von TI-Anwendungsdaten von der eGK in die ePA)
Vorgeschlagene Regelungen
Es ist vorgesehen, dass der elektronische Medikationsplan (eMP) ab Bereitstellung der Opt-out-ePA nicht mehr auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK), sondern in der ePA gespeichert und aktualisiert wird. Ein vergleichbares Vorgehen soll für Hinweise der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Erklärungen zur Organ- und Gewebespende sowie den Aufbewahrungsort von Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen gelten.
Bewertung
Es wird begrüßt, dass der eMP sowie Hinweise der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Erklärungen zur Organ- und Gewebespende und von Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen ab Speicherung in der ePA bzw. der elektronischen Patientenkurzakte (ePKA) auf der eGK zu löschen sind. Aus Gründen der Arzneimitteltherapiesicherheit sowie zur Vermeidung von Fehlinformationen sollte dieses auch beim Notfalldatensatz Anwendung finden. Für Privatversicherte ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Schaffung einer Zugriffsmöglichkeit auf den Notfalldatensatz im Notfall ohne eine eGK essenziell, da diese nicht über eine eGK verfügen. Auch bei gesetzlich Versicherten stellt eine fortwährende Speicherung von Notfalldaten auf der eGK keine zufriedenstellende Lösung dar, da auch diese nicht immer ihre eGK bei sich führen bzw. im Notfall häufig ein einsatzbereites Kartenlesegerät für das Auslesen der eGK fehlt.
Ergänzungsvorschlag
Auch beim Notfalldatendatensatz sollte auf eine doppelte Datenhaltung durch gleichzeitige Speicherung auf der eGK und in der ePA bzw. ePKA verzichtet werden. Außerdem sollte schnellstmöglich eine technische Lösung zur Auslesbarkeit des Notfalldatensatzes aus der ePA bzw. ePKA ohne eGK im Notfall entwickelt werden.
Zu Art. 1 Nr. 62 (§ 360 Abs. 10 S. 8 SGB V – E-Rezept-Funktionalitäten in der ePA-App)
Vorgeschlagene Regelungen
Die elektronische Verordnung ist eine der Kernanwendungen der TI. Um eine optimale Verbreitung und Nutzung zu erreichen, ist es für die GKV in § 360 Abs. 10 S. 8 SGB V (neu) vorgesehen, dass die Funktionalitäten des E-Rezepts in die ePA-App der jeweiligen Krankenkasse aufgenommen werden können. Neben der gematik GmbH sollen künftig auch die gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, ihren Versicherten eine Benutzeroberfläche (App) anzubieten, über welche diese auf ihre E-Rezepte zugreifen und diese verwalten und einlösen können. Die Krankenkassen sollen künftig entscheiden dürfen, ob sie ihren Versicherten hierzu eine eigene, kassenseitige E-Rezept-App anbieten, oder ob sie die Möglichkeit für den E-Rezept-Zugriff des Versicherten als zusätzliche Funktionalität der Benutzeroberfläche umsetzen, die sie den Versicherten bereits für den Zugriff und die Verwaltung der ePA zur Verfügung stellen (ePA-App). Damit stünden künftig die TI-Anwendungen nutzergerecht in einer einzigen App zur Verfügung.
Bewertung
Wir begrüßen die vorgesehene Möglichkeit einer Implementierung von Funktionalitäten zur elektronischen Verordnung in eine ePA-App oder Versicherungs-App, da sich mit dieser der Nutzungskomfort deutlich steigern ließe. Durch die Kombination mehrerer TI-Anwendungen in einer App könnten Versicherte bei Interesse an einer Anwendung außerdem leichter für die Nutzung der anderen Anwendungen gewonnen werden, sodass sich die Etablierung einer Nutzung elektronischer Verordnungen beispielsweise auch positiv auf die Nutzung der ePA-App auswirken könnte. Die versichertenseitige Kombination mehrerer attraktiver Mehrwerte in einer App ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um TI-Anwendungen erfolgreich im Versorgungsalltag zu etablieren. Dementsprechend ist es für die Unternehmen der Privaten Krankenversicherung sehr wichtig, ebenfalls die Möglichkeit zu erhalten, Funktionalitäten zur elektronischen Verordnung in einer einzigen App anzubieten. Diese Befugnis sollte gesetzlich klargestellt werden.
Ergänzungsvorschlag
Für die in § 362 Abs. 1 SGB V genannten Kostenträger sollte die unmittelbare Geltung der Bestimmungen des § 360 Abs. 10 S. 8 und 9 SGB V (neu) angeordnet werden. Alternativ könnte § 360 Abs. 10 S. 8 und 9 SGB V (neu) in § 362 Abs. 1 SGB V für entsprechend anwendbar erklärt werden.
Zu Art. 1 Nr. 66 (Ergänzungen der entsprechend anwendbaren Normen in § 362 Abs. 1 SGB V)
Vorgeschlagene Regelung
Durch die Ergänzung des Verweises auf § 291 Abs. 8 S. 5 bis 9 SGB V soll klargestellt werden, dass analog zur GKV u. a. auch Unternehmen der privaten Krankenversicherung ihren Versicherten zum Zweck der Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit die Nutzung niedrigschwelligerer digitaler Identitäten unter den in § 291 Abs. 8 S. 5 bis 9 SGB V geregelten Voraussetzungen ermöglichen können. Darüber hinaus soll durch die Anpassung des in § 362 Abs. 1 SGB V aufgeführten Verweises auf § 342 Abs. 2 bis 3 SGB V sowie auf § 343 Abs. 1 und 1a SGB V geregelt werden, dass auch die PKV-Unternehmen und die weiteren Kostenträger, wenn sie ihren Versicherten innerhalb der TI eine ePA anbieten, die gesetzlichen Regelungen zur widerspruchsbasierten Akte entsprechend einzuhalten haben. Dies beinhaltet auch die Informationsobjekte. Dadurch soll sichergestellt werden, dass innerhalb der TI nur eine einheitliche technische Ausprägung der ePA existiert. Überdies soll die als § 359a SGB V (neu) in das SGB V aufgenommene elektronische Rechnung (E-Rechnung) als neue TI-Anwendung bei den nach § 362 Abs. 1 SGB V entsprechend für die PKV geltenden Normen aufgenommen werden.
Bewertungen im Einzelnen
Zur Ergänzung des § 291 Abs. 8 S. 5 bis 9 SGB V (niedrigschwelligere digitale Identitäten)
Die klarstellende Ergänzung des § 291 Abs. 8 S. 5 bis 9 SGB V in der Verweiskette der für die Unternehmen der Privaten Krankenversichersicherung anwendbaren Bestimmungen zur TI und die weiteren in § 362 Abs. 1 SGB V genannten Kostenträger wird begrüßt.
Zur Ergänzung des § 359a SGB V (neu) (E-Rechnung)
Die Aufnahme der E-Rechnung als neue TI-Anwendung in § 334 Abs. 1 Nr. 8 SGB V (neu) und deren Detailregelungen in § 359a SGB V (neu) wird seitens der PKV ausdrücklich begrüßt. Die Abrechnung von Leistungen der Leistungserbringer, z. B. nach der GOÄ bzw. der GOZ, sowie die Abrechnung von ärztlichen Verordnungen erfolgen in der Privaten Krankenversicherung, und zwar sowohl in der substitutiven Krankenversicherung als auch in der Zusatzversicherung (für gesetzlich Versicherte), bislang im Regelfall durch papiergebundene Rechnungsstellungen. Die Neuregelungen zur E-Rechnung, die es ermöglichen werden, diese „analoge“ Praxis künftig über die TI abzuwickeln, sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden Digitalisierung des Gesundheitswesens.
Zur Ergänzung des § 342 Abs. 2a bis 2c SGB V (neu) und § 343 Abs. 1a (neu) / weiterer Anpassungsbedarf
Wir begrüßen die beabsichtigte Anpassung der für die PKV und die weiteren Kostenträger geltenden Vorgaben zur ePA in § 362 Abs. 1 SGB V (neu) grundsätzlich, soweit hierdurch zumindest Teile der Neuregelungen zur Opt-out-ePA für die PKV anwendbar werden. Mit der Einbeziehung der Verweise auf die neuen Vorgaben der Opt-out-ePA in § 342 Abs. 2a, 2b und 2c SGB V (neu) wird sichergestellt, dass es innerhalb der TI nur eine technisch einheitliche ePA, nämlich eine Opt-out-ePA, geben wird. Wäre dies nicht der Fall, würde es zu erheblichen zeitlichen und finanziellen Entwicklungsaufwänden für die unterschiedliche ePA-Systeme bei der gematik GmbH sowie den Kostenträgern kommen, was die Verwirklichung der Ziele „ePA für alle“ und „Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ konterkarieren würde. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir zudem die Folgeänderungen durch Einbeziehung der Vorgaben zur Informationspflicht für eine Opt-out-ePA (§ 343 Abs. 1a SGB V (neu)) und die Fortgeltung der entsprechenden Anwendbarkeit der auf die Opt-out-ePA angepassten Datenverarbeitungsbefugnisse in § 344 SGB V (neu). Nach unserem Verständnis räumt der Gesetzgeber den Kostenträgern in § 362 Abs. 1 SGB V damit in Anlehnung an die Vorgaben für die GKV die Befugnis ein, ihren Versicherten freiwillig eine technisch im Vergleich zur GKV identische ePA anzubieten und diese, wenn der Versicherte nach entsprechender Information nicht fristgemäß widerspricht, für den Versicherten zur weiteren selbstbestimmten Nutzung anzulegen.
Allerdings bedarf es für die Anlage der ePA für die Versicherten – ebenso wie für die Bereitstellung einer digitalen Identität als Schlüssel der Versicherten zur TI u. a. für die Nutzung des Online-Check-In bei den Leistungserbringern und sämtlicher weiterer TI-Anwendungen – zwingend der vorherigen Vergabe einer KVNR des jeweiligen Versicherten. Im Gegensatz zur GKV, deren Versicherten die KVNR als grds. lebenslang gültiges und eindeutiges Zuordnungsmerkmal für Zwecke des Gesundheitswesens bereits bei Begründung des Versicherungsverhältnisses verpflichtend erhalten, verfügen PKV-Vollversicherte und Beihilfeberechtigte in aller Regel nicht über eine KVNR. Außerhalb von gesetzlich geregelten Einzelfällen (insbes. Vornahme einer implantatbezogenen Maßnahme) muss aktuell jeder Versicherte in die Bildung einer KVNR und der hierfür erforderlichen Rentenversicherungsnummer für die TI-Nutzung ausdrücklich einwilligen und die erforderlichen Daten mitteilen bzw. deren Verwendung zustimmen. Die Rücklaufquoten auf die Mailings der Versicherungsunternehmen sind dementsprechend – vergleichbar den Erfahrungen der GKV mit der bisherigen Opt-in-ePA – ausbaufähig. Solange keine KVNR vergeben wurde, besteht für die in § 362 Abs. 1 SGB V genannten Kostenträger im Ergebnis – ungeachtet des über § 362 Abs. 1 SGB V vorgesehenen Verfahrens und der diesbezüglichen Datenverarbeitungsbefugnisse – sowohl ein datenschutzrechtliches als auch ein praktisches Hindernis für die Bereitstellung der ePA bei ausbleibendem Widerspruch nach vorheriger Information des Versicherten. Praktisch laufen die über § 362 Abs. 1 SGB V (neu) anzuwendenden Neuregelungen zur Opt-out-ePA-Bereitstellung somit zwangsläufig ins Leere; es bliebe für diese Versichertenkreise bei einem faktischen „Opt-in“. Es sollte gesetzlich sichergestellt werden, dass alle Versicherten der in § 362 Abs. 1 genannten Kostenträger über eine KVNR i. S. d. § 290 Abs. 1 SGB V verfügen, welche auch für die Bereitstellung einer ePA bzw. für den Zugang zu den Anwendungen der TI genutzt werden kann.
Ergänzungsvorschlag
Die KVNR wird als grds. lebenslanges und eindeutiges Zuordnungskriterium einer Person für Zwecke des Gesundheitswesens nicht nur im TI-Kontext benötigt, sondern kostenträgersystemübergreifend grds. immer dann, wenn die Herstellung eines eindeutigen Personenbezuges zum Patienten bzw. Versicherten erforderlich ist. Die in § 362 Abs. 1 SGB V genannten Kostenträger sind bereits jetzt nach § 17 Abs. 3 IRegG verpflichtet, Meldungen zum Implanteregister Deutschland unter Verwendung der KVNR des jeweiligen Versicherten vorzunehmen. Eine analoge Verpflichtung zu Meldungen unter Verwendung der KVNR besteht auch für die implantierenden Kliniken.
Die in § 362 Abs. 1 SGB V genannten Kostenträger sind nach dem IRegG verpflichtet, dem Versicherten eine KVNR bereitzustellen. Diese Pflicht und die damit einhergehende Datenverarbeitungsbefugnis zur KVNR-Bildung einschließlich des gesetzlich verpflichtenden fortdauernden KVNR-Clearings setzt nach aktueller Gesetzeslage jedoch erst ab dem Zeitpunkt der Vornahme einer implantatbezogenen Maßnahme ein. Vor diesem Ereignis bedarf es der freiwilligen Einwilligung und Mitwirkung des Versicherten bei der Bereitstellung der erforderlichen Daten. Willigt der Versicherte nicht ein bzw. wirkt er nicht im Vorfeld mit und tritt ein Implantatfall ein, können die Versicherungsunternehmen in der Praxis nicht sicherstellen, dass die KVNR zeitnah für den betreffenden Versicherten gebildet werden kann. Verzögerungen bei der KVNR-Bildung können dazu führen, dass das Implantateregister, welches u. a. den individuellen Patentenschutz bezweckt, diesen Zweck nicht bzw. nur eingeschränkt erfüllen kann. Da den implantierenden Kliniken darüber hinaus ein Vergütungsausschluss droht, wenn diese ihre Meldung nicht fristgemäß absetzen können, besteht zudem das Risiko für die Versicherten, dass elektive Maßnahmen ggfs. bis zum Nachweis einer KVNR verschoben werden, sodass eine zeitnahe Implantatversorgung erschwert wird.
Auch bei den gesetzlichen Meldungen zu den klinischen Krebsregistern muss diese eindeutige Zuordnung zwingend sichergestellt werden, was derzeit ohne die Möglichkeit der KVNR-Verwendung zu ressourcenintensiven manuellen Nachpflegearbeiten bei den Krebsregisterstellen führt. Darüber hinaus ist die KVNR erforderlich, damit Privatversicherte an Modellvorhaben nach §64e SGB V – Modellvorhaben zur umfassenden Diagnostik und Therapiefindung mittels Genomsequenzierung bei seltenen und bei onkologischen Erkrankungen – teilnehmen können.
Wir schlagen daher vor, noch im vorliegenden Gesetzgebungsverfahren die dringend erforderliche Änderung des § 17 Abs. 4 IRegG vorzunehmen, dass alle Versicherten der in § 362 Abs. 1 SGB V genannten Kostenträger eine KVNR unabhängig von dem Vorliegen einer implantatbezogenen Maßnahme verpflichtend erhalten. Eine Umsetzung innerhalb der PKV erscheint aus hiesiger Sicht bis zum 31. Dezember 2024 grds. möglich.
Soweit künftig für sämtliche Versicherte eine KVNR zu bilden wäre, sollte mit Blick auf die TI zur Vermeidung von Rechtunsicherheiten in § 362 SGB zusätzlich klargestellt werden, dass die KVNR sowie die für deren Bildung und Clearing zu verarbeitenden personenbezogenen Daten der Versicherten verarbeitet werden dürfen, um den Versicherten die ePA zur selbstbestimmten Nutzung bereit zu stellen.
III. Weiterer Gesetzlicher Anpassungsbedarf
Klarstellende Ergänzung der Verarbeitungsbefugnisse der Leistungserbringer nach §§ 347 Abs. 1 S. 3 bis 6, 349 Abs. 2 SGB V (neu) (§ 362 Abs. 1 SGB V)
Eine ePA nützt sowohl Versicherten als auch Leistungserbringern nur dann, wenn sie mit medizinischen Daten befüllt wird. Für die Opt-out-ePA ist die Ablösung der bisher durch den Versicherten erfolgten Berechtigungsfreigabe je Leistungserbringerinstitution (Opt-in) hin zu einem im Behandlungskontext greifenden 3-stufigen Befüllungskonzept bestehend aus Befüllungsverpflichtung, Befüllungsberechtigung und Befüllung auf Verlangen in Abhängigkeit der jeweiligen Datenkategorie vorgesehen.
Im Gegensatz zu den im Rahmen der GKV-Versorgung tätigen Leistungserbringern werden die für die PKV-Versicherten tätigen Leistungserbringer nicht gesetzlich zur Befüllung der ePA verpflichtet. Insoweit steht zu befürchten, dass hierdurch Defizite hinsichtlich Umfang und der Vollständigkeit der Dateninhalte der ePAs der Privatversicherten entstehen, was aus Sicht der Versicherten u. U. zu unbefriedigenden Ergebnissen führt.
Weiter ist unter § 349 Abs. 2 SGB V (neu) (Verarbeitungsbefugnisse der Leistungserbringer bei PKV-Versicherten) die ausdrückliche Befugnis der Leistungserbringer zur Befüllung bzw. Verarbeitung von ePA-Daten vorgesehen. Die für die PKV relevante Verweisnormen des § 362 Abs. 1 SGB V enthält bislang keine Inbezugnahme dieser Verarbeitungsbefugnis. Entsprechend könnte rechtlich infrage gestellt sein, ob die Leistungserbringer hierzu auch im Behandlungskontext mit Privatversicherten befugt sind.
Ergänzungsvorschlag
Es ist erforderlich, dass Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Leistungserbringer zumindest die ausdrückliche Berechtigung zur Befüllung der ePA von Privatversicherten erhalten, damit diese künftig rechtssicher in der Lage sind, im Behandlungskontext auf Wunsch des Versicherten eine Befüllung der ePA mit medizinisch relevanten Daten durchzuführen. Die Berechtigungen der im PKV-Kontext tätigen Leistungserbringer zur Befüllung der ePA sollte entsprechend gesetzlich klargestellt werden, um für die betreffenden Leistungserbringer hinreichende Rechtssicherheit zu schaffen.
Die Vorgaben des § 349 Abs. 2 SGB V sollten klarstellend in die Liste der Verweisnormen unter § 362 Abs. 1 SGB V aufgenommen werden.
Zudem verweist § 349 Abs. 2 SGB V (neu) auf § 347 Abs. 1 S. 3 bis 6 SGB V (neu), welcher wegen der besonderen Bedeutung spezieller Datenkategorien (genetische Daten, potenziell stigmatisierende Daten) abweichend von der „einfachen Widerspruchslösung“ ein gestuftes Konzept mittels Einwilligungen bzw. Protokollierungspflichten vorsieht. Um der Rechtsklarheit undienliche Kettenverweise zu vermeiden, sollte ebenfalls § 347 Abs. 1 S. 3 bis 6 SGB V (neu) in § 362 Abs. 1 SGB V ergänzt werden.
Sicherstellung der Finanzierung (§ 362 SGB V)
Bislang ist aus Sicht der PKV die kalkulatorische Abbildung der mit der Beteiligung der PKV an der gematik GmbH einhergehenden, betraglich erheblichen Mitfinanzierung der (Hardware-) Ausstattungs- und Betriebskosten der Leistungserbringer nicht hinreichend sichergestellt. Die PKV hat bereits und wird auch zukünftig erhebliche Summen für die Ausstattung von Leistungserbringern und den Betrieb der technischen Infrastruktur investieren. In der PKV können derartige Leistungen allerdings grundsätzlich nur kalkuliert und finanziert werden, wenn es sich um vertragstypische Leistungen der Krankenversicherer handelt. Insbesondere im Hinblick auf die Bestandsverträge in der PKV, bei welchen eine Ergänzung der neuen digitalen Dienstleistungen in den vertraglichen Abreden nicht ohne Weiteres möglich ist, bedarf es der Unterstützung des Gesetzgebers. Es muss insoweit klargestellt bzw. gesetzlich geregelt werden, dass alle digitalen Services im Gesundheitswesen Teil der Versicherungsleistungen der PKV-Unternehmen sind. Auf dieser Grundlage wäre es möglich, die Kosten der PKV im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Nutzung der TI und seiner Anwendungen sachgemäß kalkulatorisch abzubilden und zu refinanzieren. Auch für die Beihilfeträger würde insoweit eine belastbare Grundlage geschaffen.
Ergänzungsvorschlag
§ 362 SGB V sollte daher dahingehend erweitert werden, dass es sich bei den Kosten der PKV im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Nutzung der TI um Versicherungsleistungen handelt, beispielsweise durch Ergänzung folgenden Satzes / Absatzes:
„Die Unternehmen der privaten Krankenversicherung und die Träger der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften stellen die Nutzung der TI und deren Anwendungen durch die Versicherten als Versicherungsleistungen zur Verfügung.“