Stellungnahme 30. September 2020

Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Versicherungsteuerrechts und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (Drucksache 19/21089).

Zusammenfassung

  • Die Neufassung der Befreiungsregel für die Krankenversicherung (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 VersStG-E i. V. m. VersStDV-E) sollte nicht umgesetzt werden. Sie würde – entgegen der Intention des Entwurfs – auch unter sozialen Aspekten wichtige Formen der Kranken- und Pflegeversicherung mit der Frage der Steuerpflicht belasten. Bspw. würde bei Ehescheidungen unmittelbar Versicherungsteuerpflicht für den mitversicherten, bisherigen Ehegatten entstehen. „Neue“ Lebensmodelle werden steuerlich diskriminiert. 
  • Das dem Versicherungs(aufsichts)recht fremde, neue Tatbestandsmerkmal der „Risikoperson“ führt in verschiedener Hinsicht zu Rechtsunsicherheiten, insb. in Konstellationen, in denen der Versicherungsnehmer nicht identisch mit der Risikoperson ist. Für mitversicherte Personen, typischerweise Ehegatten und Kinder ohne eigenen unbedingten Anspruch, wird die Versicherungsteuerfreiheit in Frage gestellt. Ihre Feststellung bedarf die Erfassung und Überprüfung der privaten Familienverhältnisse durch den Versicherer über die gesamte Vertragslaufzeit.
  • Der entstehende bürokratische Aufwand für die Ermittlung und die fortlaufende Aktualisierung des „Angehörigenstatus“ (z. B. bei Verlobungen, Ehescheidungen) ist immens. Die durch die Umsetzung bis Ende 2030 entstehenden neuen, zusätzlichen Bürokratiekosten von ca. 100 Millionen Euro stehen gänzlich außer Verhältnis zur Zielsetzung der Reform.
  • Etwaige missbräuchliche Ausnutzungen von Steuervermeidungsmöglichkeiten (z. B. Spielerinvaliditätsversicherungen) sollten in Form konkreter Ausschlusstatbestände analog der bereits geregelten Ausnahmen (Unfall- und Haftpflichtversicherungen) abgebildet werden.
  • Strukturell abzulehnen ist die „Auslagerung“ wesentlicher Voraussetzungen für die Steuerbefreiung in die Durchführungsverordnung, welche zukünftig jederzeit ohne Berücksichtigung des Willens des parlamentarischen Gesetzgebers änderbar ist.

Zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Versicherungsteuerrechts und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften, insbesondere zu der Überarbeitung des § 4 Nr. 5 VersStG i. V. m. der Neufassung der Versicherungsteuer-Durchführungsverordnung (VersStDV), nehmen wir wie folgt Stellung:

I. Grundsätzliche Vorbemerkung: Zweck der Versicherung als zusätzliche Befreiungsvoraussetzung

Grundsätzlich erscheint das fiskalpolitische Ziel nachvollziehbar, vereinzelte „Versicherungsteuerschlupflöcher“ (z. B. Keymann-Policen, Spielerausfallversicherungen) zu schließen. Der Gesetzesentwurf schießt jedoch deutlich über dieses Ziel hinaus und schränkt die langjährig bewehrte und sozialpolitisch sinnvolle steuerliche Privilegierung von Kranken-, Pflege-, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsversicherungen ein und führt ohne jede sachliche Rechtfertigung zu neuen Steuerbelastungen, Rechtsunsicherheiten und vor allem erheblichen Bürokratieaufwänden.                 

Mit dem Änderungsentwurf zu § 4 Nr. 5 VersStG beabsichtigt das Bundesfinanzministerium (BMF), den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift für die private Kranken- und Pflegeversicherung zu präzisieren und insoweit mehr Rechtssicherheit und Vereinfachungen zu schaffen. Herausgestellt werden soll, dass die Befreiung „aus sozialen Gründen“ erfolgt. Der Entwurf führt hierzu eine neue, zusätzliche Voraussetzung ein. Die Steuerfreiheit soll nur dann gelten, „sofern diese Ansprüche der Versorgung der natürlichen Person, bei der sich das versicherte Risiko realisiert (Risikoperson), oder der Versorgung von deren nahen Angehörigen i. S. d. § 7 Pflegezeitgesetzes oder von deren Angehörigen i. S. d. § 15 der Abgabenordnung dienen“.

Der Entwurf ist sehr problematisch. Er bringt nicht die angestrebte Rechtsklarheit, sondern schafft vielmehr eine Vielzahl neuer Rechtsfragen und schränkt den Anwendungsbereich der Befreiung im Verhältnis zum geltenden Recht erheblich ein. Der der Änderung der Befreiungsvorschrift vom BMF zugrunde gelegte, aber nicht näher konkretisierte „soziale Grund“ wird zur neuen Voraussetzung für das einzelne Versicherungsprodukt gemacht, damit die Befreiungsvorschrift zur Anwendung kommt. Die Befreiung soll nur für Produkte gelten, mit denen ein bestimmter Sicherungszweck verfolgt wird.

Hieraus resultiert im Verhältnis zum geltenden Recht eine sehr deutliche Einschränkung der Befreiungsvorschrift und damit eine Steuererhöhung zu Lasten der Versicherten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt es nach dem geltenden Recht ausdrücklich nicht darauf an, welchen wirtschaftlichen Zweck der Versicherungsnehmer oder die Versicherte Person mit der Versicherung im Einzelnen verfolgt (s. nur BFH, Urteil vom 17.12.2014 – Az. II R 18/12). Ausschlaggebend ist nach aktueller Rechtslage allein, ob der Versicherer ein im Katalog des § 4 VersStG aufgeführtes Wagnis gegen Entgelt übernimmt. In Zukunft wären nur noch Produkte steuerbefreit, mit denen der Versicherungsnehmer den vom BMF weiter konkretisierten „sozialen Zweck“ (dazu sogleich unter II.) verfolgt.

Der Entwurf ist insoweit nicht eine Klarstellung, er dient auch nicht der avisierten Rechtssicherheit, Vereinfachung oder Weiterentwicklung; es handelt sich um eine Steuererhöhung durch Einschränkung der von Verbrauchern wertgeschätzten und im Wesentlichen seit 1937 unverändert geltenden steuerlichen Privilegierung für die Krankenversicherung. Hierfür fehlt u. a. eine Grundlage im aktuellen Koalitionsvertrag.

Soweit eine Modernisierung bzw. Präzisierung des Tatbestands angestrebt wird, sollte diese allenfalls klarstellend, nicht aber einschränkend, d. h. steuererhöhend, gefasst sein. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die vom BMF angestrebte Rechtssicherheit in der Praxis bereits besteht. Streitigkeiten und Auslegungsschwierigkeiten sind in der Praxis die Ausnahme. Produkte im Kernbereich der privaten Kranken- und Pflegeversicherung sind im Hinblick auf die Frage, ob und wie weit die Versicherungsteuerbefreiung reicht, bereits seit Jahrzehnten nicht mehr Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung.

In Bezug auf das Ansinnen des Referentenentwurfes, vereinzelten Fallgestaltungen die Versicherungsteuerbefreiung unter Hinweis auf den fehlenden „sozialen Zweck“ zu entziehen, sollte der Reformfokus konkret hierauf gelegt werden, anstatt neue Besteuerungstatbestände und Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis zu schaffen. Regelungstechnisch würde sich dafür Satz 2 des § 4 Nr. 5 VersStG anbieten, der bereits Ausnahmen (insb. Unfall- und Haftpflichtversicherungen) von dem ansonsten bewährten Befreiungstatbestand erfasst.

Zu den Inhalten des Reformgesetzes im Einzelnen:

II. Zur Konkretisierung des Absicherungszwecks als Befreiungsvoraussetzung

 Als Zweck der Befreiung, der durch die Neufassung zur Tatbestandsvoraussetzung erhoben werden soll, werden in der Begründung des Referentenentwurfs „soziale Gründe“ genannt. Diese werden allerdings nicht näher konkretisiert. Der Entwurf stellt darauf ab, dass die Versicherung dem Versorgungsbedürfnis der neu eingeführten und neu definierten „Risikoperson“ dient. Zu dem erfassten Personenkreis gehören insoweit auch die Angehörigen nach § 7 Pflegezeitgesetz und § 15 Abgabenordnung (AO) der Risikoperson bzw. des Versicherungsnehmers. Aus dem Zusammenspiel mit den hierzu durch den Gesetzesentwurf ebenfalls vorgesehenen Begriffsbestimmungen unter § 1 Abs. 6 VersStDV-E ergeben sich weitere Anforderungen an die Steuerbefreiung. Die vorgeschlagenen Änderungen sind systematisch problematisch, lassen die Besonderheiten von verschiedenen aktuellen Versicherungsprodukten außer Acht und führen zu Auslegungsfragen und Unsicherheiten in der Rechtsanwendung, deren Beseitigung bzw. Vermeidung gerade angestrebt wird.

1. Zur „Risikoperson“, inkl. Erfordernis der unbedingten Anspruchsinhaberschaft

Mit der „Risikoperson“ schafft der Entwurf eine gänzlich neue „Figur“ im Versicherungsrecht. Allerdings bleibt offen, in welchem Verhältnis die Risikoperson zu den versicherungsvertragsrechtlich vorgegebenen Rollen des Versicherungsnehmers und der Versicherten Person (§ 150 VVG) steht. Hieraus resultieren Rechtsunsicherheiten. Dies gilt erst recht in der Zusammenschau mit § 1 Abs. 6 VersStDV-E. Die Nr. 1 des § 1 Abs. 6 VersStDV-E setzt für die Steuerbefreiung voraus, dass der Risikoperson (oder deren Angehörigen) aus der Versicherung ein „unbedingter Anspruch oder ein Bezugsrecht“ zusteht. Dies berücksichtigt in verschiedener Hinsicht nicht die versicherungsvertragsrechtlichen Gegebenheiten und führt ggf. sogar zu neuen Steuerbelastungen.

Fremdversicherungen, bei welchen die Risikopersonen nicht selbst Anspruchsinhaber sind, sind in der privaten Krankenversicherung verbreitet und überdies auch vom Gesetzgeber angelegt. So ist gemäß § 194 Abs. 3 VVG versicherungsvertragsrechtlich lediglich eine Empfangsberechtigung zu Gunsten der Versicherten Person vorgesehen. Eine unbedingte Anspruchsinhaberschaft wie es § 1 Abs. 6 Nr. 1 VersStDV-E erfordern soll, ist somit zumindest mit erheblichen rechtlichen Zweifeln behaftet; der Versicherungsnehmer bleibt auch bei Vorliegen eines Empfangsberechtigten Dritten Anspruchsinhaber. Insoweit hat der Gesetzgeber bewusst das Recht der Fremdversicherung nach §§ 43 ff. VVG im Bereich der privaten Krankenversicherung modifiziert. So steht das Vorliegen dieser Voraussetzung auch nach den geltenden Musterbedingungen für die substitutive Krankheitskostenversicherung (MB/KK 2009) für alle mitversicherten Personen in Frage, unabhängig von der Angehörigeneigenschaft. Denn die Leistungspflicht besteht grundsätzlich nur gegenüber dem Versicherungsnehmer; die Leistung an die Versicherte Person bedarf seiner Zustimmung (§ 6 Abs. 3 MB/KK 2009). Bereits hier sei angemerkt, dass aufgrund des gesetzlichen Widerrufsrechtes bzgl. der Benennung der Empfangsberechtigten (vgl. § 194 Abs. 3 S. 1 2. Hs. VVG) fortlaufend geprüft werden müsste, ob die Zustimmung des Versicherungsnehmers (noch) vorliegt oder widerrufen wurde.

Aufgrund der Neureglung droht eine erhebliche Belastung des Verhältnisses zwischen Versicherungsnehmern und Versicherten Personen untereinander (z. B. Eltern gegenüber ihren Kindern). Es wird bei den Versicherten verbreitet auch zu Irritationen kommen, wenn sich die Versicherter nun über deren persönliche, private Verhältnisse erkundigen (müssen); die Versicherten könnten sich überwacht fühlen, ohne dass aus Sicht der Versicherungsunternehmen hierfür Bedarf besteht. Hier stellen sich auch datenschutzrechtliche Fragen. Wie kann beispielsweise ein Versicherer rechtssicher das Fortbestehen einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft bzw. eines Verlöbnisses feststellen und gegebenenfalls auch gegenüber der Finanzverwaltung belegen?

Es ist im Übrigen nicht einleuchtend, dass die Ausübung des unter Verbraucherschutzgesichtspunkten begründeten Zustimmungsvorbehaltes unter § 194 Abs. 3 VVG, der in der Praxis insbesondere in Verhältnissen von enger persönlicher Prägung eine Rolle spielt und eine zweckentsprechende Verwendung der Versicherungsleistung durch die Versicherte Person sicherstellen soll, zu versicherungsteuerlichen Folgen führen würde. Bei den lebenslang laufenden Verträgen der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung mit durchschnittlichen Vertragslaufzeiten von mehr als 20 Jahren ist es der Regelfall, dass sich die Familienverhältnisse während der Vertragslaufzeit ändern. Typische Sachverhalte sind die Ehescheidung, die Auflösung einer Lebenspartnerschaft oder auch die Beendigung einer entsprechenden, ähnlichen Lebensbeziehung im Sinne des § 7 Pflegezeitgesetzes.

Auch in diesen Fällen werden bestehende Verträge der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung aber häufig fortgeführt, etwa zur Erfüllung von fortbestehenden Unterhaltsverpflichtungen zwischen dem Versicherungsnehmer und der Versicherten Person.

Vorstehendes gilt auch für Ausgestaltungen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung, mit denen Arbeitgeber für Arbeitnehmer oder Vereine und andere Institutionen für Mitglieder eine private Kranken- und Pflegeversicherung abschließen. Betroffen sind insbesondere die Fälle der Betrieblichen Krankenversicherung. Auch bei tarifvertraglichen Arbeitgeberzusagen, welche den Risikopersonen keinen eigenen unmittelbaren Anspruch auf die Versicherungsleistungen einräumen, könnte die Steuerbefreiung in Frage gestellt werden. Das BMF hatte hierzu gerade erst im Gesetzgebungsverfahren zum „Jahressteuergesetz 2019“ festgehalten, dass solche Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers weiterhin im Interesse der Arbeitnehmer als Sachlohn und damit teilweise lohnsteuerfrei gewährt werden können. Es leuchtet nicht ein, dass diese Produkte nunmehr unter Bezugnahme auf einen „sozialen Zweck“ mit 19 % besteuert werden sollen.

Insgesamt würde sich allenfalls anbieten, auf den versicherungsrechtlich bewährten und systematisch einordbaren bzw. abgrenzbaren Begriff der „Versicherten Person“ abzustellen bzw. an diesen anzuknüpfen.

2. Zur Versorgung von „Angehörigen“

Der Entwurf erfasst neben den Risikopersonen auch die Versorgung von Angehörigen nach § 7 Pflegezeitgesetz und § 15 AO; der Entwurf sieht vor, dass die Befreiung nur bestehen soll, wenn zwischen dem Versicherungsnehmer und den nach § 193 Abs. 1 VVG i. S. d. Versicherungsvertragsrecht mitversicherten Personen ein Angehörigenverhältnis besteht. Dies sind typischerweise Familienangehörige, die Praxis kennt aber auch andere Konstellationen, die sich letztlich aus den individuellen und vor allem sich wandelnden Lebensverhältnissen ableiten. Die Einführung der „Figur Risikoperson“ stellt eine erhebliche Einschränkung der bisherigen Steuerbefreiungsregelungen dar. Sie ist auch tatsächlich nicht umsetzbar. Die Möglichkeit, mitversicherte Personen nach § 193 Abs. 1 VVG in einen Vertrag aufzunehmen, gilt versicherungsvertragsrechtlich unbeschränkt. In der Praxis ist entscheidend, ob die mitversicherten Personen unter für die Versicherung maßgeblichen Risikogesichtspunkten in einem Versicherungsverhältnis zusammengefasst werden können. Auf die Familien- oder sonstige formale Näheverhältnisse kommt es infolgedessen nicht an.

Die Kategorie des Angehörigen sollte insgesamt für die versicherungsteuerliche Beurteilung unbeachtlich sein bzw. bleiben.

III. Gänzlich unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand („Bürokratiemonster“)

Bislang verfügen die Versicherungsunternehmen über keine Erkenntnisse, in welchem Familien- bzw. Näheverhältnis Versicherungsnehmer und Versicherte Personen stehen und ob diese noch aktuell sind. Zukünftig werden die Versicherer in Fällen der Absicherung von Angehörigen gezwungen, bei Ihren z. T. monatlichen Prämienberechnungen stets sicherzustellen, dass das Angehörigenverhältnis (noch) besteht; nach dem bisherigen Recht kam es darauf nicht an.

Dies erfordert eine fortlaufende Generierung von entsprechenden Informationen und Nachweisen bei den Versicherten, da diese den Versicherern bislang nicht vorliegen. Plakativ sind hier die Fälle der Ehescheidungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherter Person, welche zukünftig unmittelbar Versicherungspflicht entstehen lassen können, ohne dass der Versicherer hiervon Kenntnis erlangt. Der entstehende, gänzlich neue bürokratische Aufwand für die Ermittlung und die kontinuierliche Aktualisierung des „Angehörigenstatus“ (z. B. Verlobungen, Eheschließungen und Scheidungen), ist immens und steht in keinem Verhältnis zum angestrebten Ziel, einzelne „Steuerschlupflöcher“ (z. B. Spielausfallversicherungen zugunsten von Sportvereinen, Keyman-Policen) zu schließen. Dies umso mehr, als davon auszugehen ist, dass das betroffene Beitragsvolumina und damit die konkrete Relevanz in der Praxis überschaubar sein dürfte, jedoch die Prozesse und Systeme für sämtliche Vertragsverhältnisse angepasst werden müssen. Gleiches gilt für die rückwirkende Entstehung bzw. den Wegfall der Steuerbefreiungsvoraussetzungen bei bereits geleisteten Prämienzahlungen (§ 4 Abs. 2 und § 9 VersStG-E), welche ebenfalls aufwendige neue Prozesse erfordern (vgl. dazu die Aufstellung am Ende dieser Stellungnahme). Hinzu kommt, dass abweichend vom Versicherungsgedanken und der bisherigen Praxis der Privaten Krankenversicherung insgesamt, nicht auf Tarifebene, sondern auf einzelvertraglicher Ebene geprüft werden müsste, ob die mitversicherten Personen im Einzelfall die Angehörigeneigenschaft (noch) erfüllen.

Allein bei den 52 Mitgliedsunternehmen des PKV-Verbandes entstehen aufgrund der tiefen Eingriffe in die (IT-)Systeme und Prozesse bzw. deren Neuschaffung (vgl. dazu die exemplarische Darstellung in der Anlage) und der bislang strukturell nicht angelegten Versicherungsteuerberücksichtigung in der Vertragsabwicklung einmalige Umsetzungsaufwendungen von ca. 50 Mio. Euro und anschließend jährliche Zusatzkosten i. H. v. ca. 4 Mio. Euro. Allein bis zum Jahr 2030 entsteht mithin ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand in der PKV von knapp 100 Mio. Euro. Der im Gesetzesentwurf genannte Aufwand von 150.000 Euro entbehrt insoweit jeder Grundlage. Der Mehraufwand der gesamten Versicherungswirtschaft geht sogar weit über diese Beträge hinaus (vgl. dazu die Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.). Diese enormen Kosten stehen nicht nennenswerten bzw. vom BMF nicht bezifferbaren zusätzlichen Steuereinnahmen gegenüber.

Klarstellend ist diesbezüglich anzumerken, dass dieser Umsetzungsaufwand grds. unabhängig von dem Umstand entsteht, dass die Überarbeitung der Befreiungsnorm nur auf Neuverträge Anwendung findet (vgl. dazu nachstehende Ausführungen unter V.I.). Die Kosten für die Systemertüchtigung samt Prozessen sind weitestgehend von der Anzahl der betroffenen Versicherungsverhältnisse entkoppelt.

Die Auswirkungen auf das Meldeverfahren für die einkommensteuerliche Behandlung der Beiträge zum Sonderausgabenabzug nach § 10 EStG, die Bescheinigung zum Arbeitgeberzuschuss etc. sind dabei noch nicht berücksichtigt. Auch diesbezüglich wird aller Voraussicht nach eine Vielzahl neuer / weiterer Fragestellungen auftreten und damit zusätzlicher Verwaltungs-, Abstimmungs- und Systemaufwand erzeugt.

Insoweit wird das gesetzgeberische Ziel des Bürokratieabbaus erheblich konterkariert und erscheint vor allem im Hinblick auf die derzeitigen politischen Bemühungen, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu beschränken / zu kompensieren und das Konsumverhalten wieder zu beleben („Konjunkturpaket“), höchst kontraproduktiv.

Deutlich hinzuweisen ist zudem auf die Tatsache, dass der Großteil dieser Aufwendungen letztlich von den einzelnen Versicherten zu tragen ist. Hinzu kommt der neue, sicherlich aus Versichertensicht fragwürdige persönliche „Verwaltungsaufwand“ der Verbraucher im Zusammenhang mit der Zurverfügungstellung und Aktualisierung der Angehörigendaten (z. B. Dokumentation von Verlobungen, Nachweis von Eheschließungen/-scheidungen).

Letztlich ist nicht auszuschließen, dass Versicherungsunternehmen aufgrund des entstehenden Aufwandes einzelne – aus Versichertensicht sinnvolle / notwendige – Produkte (zugunsten von Dritten) zu Lasten der Verbraucher nicht mehr anbieten.

IV. Parlamentarische Meinungsbildung zukünftig nicht sichergestellt

Strukturell abzulehnen ist die vorgesehene „Auslagerung“ wesentlicher Voraussetzungen für die Steuerbefreiung in die Durchführungsverordnung zum VersStG. Diese kann zukünftig vom BMF jederzeit geändert werden. Da die VersStDV wesentliche Voraussetzungen des Steuerbefreiungstatbestandes und damit für die Steuerpflicht definiert, wird insoweit zukünftig die erforderliche Beteiligung des parlamentarischen Gesetzgebers ausgeschlossen. Dies sollte aus Sicht des Bundestages und Bundesrates ein untragbares Ergebnis sein. Sicherlich nicht nur aus Sicht des PKV-Verbandes sollte die Frage, ob Produkte der essentiellen persönlichen Absicherung von Millionen von Menschen besteuert werden, den politischen Entscheidungsträgern und einem insoweit erst möglichen gesellschaftlichen Diskurs vorbehalten bleiben.

Dies betrifft insbesondere Beihilfeablöseversicherungen von Kommunen, Gruppenversicherungen oder Rückdeckungsversicherungen in Bezug auf von Arbeitgebern erteilte Zusagen. Zukünftige Einschränkungen der Steuerbefreiungsvoraussetzungen durch das BMF würden massive Auswirkungen auf Kommunen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben, ohne dass diese in der Lage wären, sich in die erforderliche politische Meinungsbildung einbringen zu können.

Letztlich drängen sich aufgrund der Auslagerung wesentlicher Voraussetzungen der Steuerpflicht in die VersStDV verfassungsrechtlichen Bedenken auf.

V. Weitere Anmerkungen

1. Zur Übergangsregelung – Rechtsunsicherheiten bleiben dauerhaft bestehen

Positiv zu bewerten ist die zwischenzeitliche Ergänzung des § 12 Abs. 3 VersStG-E. Dieser regelt nunmehr, dass für Versicherungsverträge, die vor dem 1. Juli 2021 geschlossen worden sind, noch die bisherige Fassung des § 4 Nr. 5 VersStG einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung des BFH Anwendung findet. Hierdurch sollen Bestandsverträge ausdrücklich von der Änderung der Besteuerungsvorschriften unberührt bleiben. Klarstellend ist hierzu anzumerken, dass eine Erfassung auch von Altverträgen von den Neuregelungen – wie ursprünglich angedacht – einen exponentiell größeren Umsetzungsaufwand ausgelöst hätte; die rechtlichen und tatsächlichen Hürden für eine Anpassung der bestehenden Bedingungswerke und Versicherungsverträge wären überdies kaum zu überwinden. Zudem wird das Ziel des BMF, durch die Reform für umfassende Rechtssicherheit – welche unseres Erachtens bereits besteht – zu sorgen, erst bei Abwicklung der Bestandsverträge, also bei deren Beendigung (i. d. R. Tod des Versicherten), erreicht werden können.

Ungeachtet dessen werfen die Übergangsregelung neue Fragestellungen auf. Als „Vertragsschluss“ i. S. d. Übergangsvorschrift soll „jede erstmalige Absicherung eines bestimmten Risikos der Risikoperson durch den Versicherer“ gelten, § 12 Abs. 3 S. 3 VersStG-E; bei Gruppenversicherungen soll dies nach Satz 4 mit Wirksamwerden ihrer Aufnahme in den Gruppenversicherungsvertrag der Fall sein. Nach der Gesetzesbegründung stellen Änderungen eines bestehenden Vertrages wie z. B. Prämienerhöhungen, Leistungserweiterungen, AVB-Änderungen und Vertragsübernahmen – anders als bspw. ein Austausch des versicherten Risikos oder die Erweiterung des Versicherungsvertrages auf andere Risiken – keinen neuen Vertragsschluss im Sinne dieser Vorschrift dar. Beispielsweise bei der praktisch bedeutsamen Erhöhung des Krankentagegeld-Schutzes, der Hinzunahme von Wahlleistungen, bei Auslandsabsicherungen oder auch beim Wechsel in einen höheren Versicherungsschutz erscheint die Einordnung fraglich. Auch dbzgl. sind eine Vielzahl von Abgrenzungsfragen vorprogrammiert.

Zudem widersprechen die Übergangsregelungen, die an den Vertragsabschluss anknüpfen, dem Kalkulationsmodell der Privaten Krankenversicherung und dem grundsätzlichen Anliegen einer übersichtlichen Tariflandschaft. Tarife werden über Jahrzehnte unverändert geführt, um möglichst geringe Verwaltungskosten und große, ausgewogene Kollektive zu bilden. Voraussetzung für das Vorliegen eines Tarifs sind identische Versicherungsbedingungen für alle Versicherten dieses Tarifs. Die vorgeschlagene Übergangsregel zwingt die PKV-Unternehmen dazu, neue Tarife aufzulegen, da Altverträge unverändert fortgeführt werden. Hierdurch entsteht nicht zuletzt auch das Risiko einer Überalterung von Tarifen.

Weiterhin stellen sich bereits jetzt praktische Fragen, wie das Tatbestandsmerkmal des „Vertragsschlusses“ zu verstehen ist. Als Auslegungsvarianten kommen der formelle, der materielle oder der technische Versicherungsbeginn in Betracht. Deren Zeitpunkte können in der praktischen Vertragsabwicklung durchaus nennenswert voneinander abweichen.

2. Klarstellung: Krankheit „auch wegen Unfall“ 

Der Entwurf greift ein tatsächlich in der Praxis diskutiertes Problem der Rechtsanwendung nicht auf. Die Private Krankenversicherung erstattet nach den aufsichtsrechtlichen und den versicherungsvertragsrechtlichen Vorschriften Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfall. Zu den Leistungen gehören auch Tagegelder, mit denen entweder der Verdienstausfall oder der erhöhte Aufwand während der Krankenbehandlung, finanziert werden können. Um auch Personen mit Vorerkrankungen entsprechende Produkte anbieten zu könne, werden diese Tagegelder in der Praxis auch isoliert für den Fall angeboten, dass die Krankenbehandlung eine Unfallfolge ist – sog. Unfallkrankentagegeld. Die Beschränkung ermöglicht es, dass diese Form der Versicherung auch Personen zur Verfügung steht, die bereits über wesentliche Vorerkrankungen verfügen und bei denen daher ein Tagegeld für jede Form der Krankenbehandlung nicht mehr gewährleistet werden kann.

 Es sollte daher klargestellt werden, dass auch Krankenversicherungen, die Tagegelder ausschließlich wegen einer unfallbedingten Krankenbehandlung leisten, unter den Befreiungstatbestand fallen.

3. Klarstellung: Assistance- und sonstige Nebenleistungen; „Infektionsrisiko“

Ein weiterer unberücksichtigter Aspekt sind sog. Assistance- und sonstige Nebenleistungen. Versicherer bieten ihren Versicherten im Zusammenhang mit Kranken- und Pflegeversicherungsverträgen vielfältige, gegenüber der Hauptleistung minimale Zusatzservices (z. B. Assistance-Leistung, Beratungsleistungen vor Eintritt des Versicherungsfalls, Telefonhotlines) im Zusammenhang mit (noch nicht eingetretenen Fällen der) Krankheit und Pflegebedürftigkeit an. Diese sinnvollen und hilfreichen Ergänzungs- und Nebenleistungen können dazu führen, dass der gesamte Beitrag unsachgemäß versicherungsteuerpflichtig wird („Infektionsrisiko“).

 Es ist zwar davon auszugehen, dass diese Assistance- und sonstige Nebenleistungen bereits auf der bisherigen Rechtslage unter den Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 5 VersStG fallen (Leistungen „im Fall“ der Krankheit oder Pflegebedürftigkeit). Im Rahmen der Modernisierung der versicherungsteuerlichen Vorschriften erscheint insoweit jedoch eine Klarstellung sinnvoll.

 „Infektionsrisiko“ besteht auch im Hinblick auf verbreitete Kombiprodukte (z. B. Krankenversicherungen mit ergänzenden Unfallschutzkomponenten). Um hier nicht eine kleinteilige, extrem verwaltungsaufwändige (die Bestandssysteme der Versicherer wäre völlig neu zu konzipieren) steuerliche Differenzierung zwischen den einzelnen Produktkomponenten vornehmen zu müssen, sollte sich insoweit die steuerliche Behandlung an der Hauptkomponente orientieren.

4. Steuerliche Haftungsrisiken der Versicherungsunternehmen

Die Versicherungsunternehmen sind zukünftig als Steuerentrichtungsschuldner für die zutreffende Abführung der Versicherungsteuer verantwortlich. Sie sind insoweit maßgeblich auf die Mitwirkung der Versicherten angewiesen. § 4 VerStDV-E sieht dafür einen „Informationsanspruch“ für die Versicherer vor. Kommen Versicherte einem Auskunftsverlagen jedoch nicht nach, entstehen Haftungsrisiken für die Versicherer. Darüber hinaus dürfte eine ggf. „zwangsweise“ Durchsetzung dieses Informationsanspruches durch die Versicherer das Verhältnis zum Versicherungsnehmer nachhaltig belasten.

 Das Informationsbedürfnis des Steuerentrichtungsschuldners sollte daher als Pflicht des Versicherungsnehmers (Bringschuld) ausgestaltet werden. In jedem Fall sollte eine Haftung für fehlerhafte Steuerabführungen ausgeschlossen sein, wenn diese aufgrund nicht erfolgter oder unzureichender Informationen des Versicherungsnehmers beruhen.

5. Zu kurze Umsetzungsfrist

Um den Versicherungsunternehmen die rechtzeitige Anpassung der Vertragsformulare und Bedingungen zu ermöglichen, soll die Neufassung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 VersStG-E erstmals auf Versicherungsverträge anzuwenden sein, die nach dem 30. Juni 2021 geschlossen werden.

Allerdings ist bereits jetzt absehbar, dass die Umsetzung eine deutlich längere Vorlaufzeit erfordert. Viele Krankenversicherungsunternehmen werden erstmals Versicherungsteuer in Ihren Prozessen und IT-Systemen abbilden müssen, wodurch umfassende Neukonzeptionierungen und entsprechende Umsetzungsmaßnahmen erforderlich werden. Zur Unterstützung eingesetzte externe Dienstleister werden von der gesamten Branche gleichzeitig angefragt. Auch die unübliche unterjährige Änderung der Vertragsmuster und Antragsformulare erfordert nicht zuletzt aufgrund der (gesetzlichen) Abstimmungserfordernisse einen nennenswerten Vorlauf.

Eine Verschiebung des Abgrenzungszeitpunktes unter § 12 Abs. 3 VersStG-E frühestens auf den 1. Januar 2021 ist notwendig und erforderlich, um die rechtzeitige und funktionsfähige Umsetzung sicherstellen zu können.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass ab 2022 Steuererklärung bzw. -anmeldung nur noch auf dem elektronischen Weg zulässig sein sollen (§ 8 Abs. 1 VersStG-E). Auch dies würde von den Versicherern im Rahmen der Neukonzeption der Systeme bereits mit angelegt und sollte bei der Festlegung des Umsetzungszeitpunktes mitberücksichtig werden.

6. Weitere Themen

Die Formulierung des § 1 Abs. 6 S. 2 VersStDV-E ist zu eng. Die Formulierung „Dies ist der Fall, wenn…“ stellt bezüglich der folgenden Aufzählung eine abschließende Regelung dar, welche neue oder kombinierte Produkte, die nicht konkret in den Ziffern 1 bis 6 vorgesehenen sind, von der Versicherungsteuerfreiheit ausschließen, auch wenn Sie dem gesetzlichen Zweck des § 4 Abs. 1 Nr. 5 VersStG-E entsprechen. Die Fallbeschreibung unter § 1 Abs. 6 S. 2 VersStDV sollte daher als beispielhafte Aufzählung ausgestaltet werden, bspw. durch die Einfügung des Wortes “…insbesondere …“).

§ 1 Abs. 6 S. 2 Nr. 5 VersStDV-E sieht vor, dass Versicherungsteuerfreiheit auch dann gegeben sein soll, wenn die Risikoperson eine vom Versicherer finanzierte Naturalleistung erhalten soll. Hier fehlt zunächst die Einbeziehung der Angehörigen, für welche die gleichen Voraussetzungen gelten sollten. Zudem fehlt es an einer hinreichenden, die Praxis berücksichtigenden Definition für „Naturalleistung“. Branchenübliche Vereinbarungen sehen z. T. originäre Service- oder Assistance-Leistungen unmittelbar durch den Versicherer an die Risikoperson oder deren Angehörige vor (z. B. Beratungsleistungen zu Möglichkeiten der medizinischen REHA, 24-Stunden-Hotline). Dies sollte klarstellend durch die Ergänzung der Worte „…oder erbrachte…“ nach „… vom Versicherer finanzierte…“ abgebildet werden.

Auch § 1 Abs. 6 S. 2 Nr. 6 VersStDV-E, welcher Versicherungsleistungen, die in der Anleitung einer Person oder in der Finanzierung einer Anleitung einer Person zur Erbringung von Naturalleistungen gegenüber der Risikoperson bestehen, von der Steuerpflicht ausnimmt, lässt die Versicherungspraxis außer Acht. Nicht erfasst sind bspw. branchenübliche Assistance-Leistungen, die nicht zwingend in die eigentliche Naturalleistung (i. d. R. wohl Pflege) durch die Pflegeperson münden. Dies sind bspw. Beratungen über Pflegeeinrichtungen, Informationen zur Prävention, zum Fahrzeugumbau, zum Wohnumfeld, Wäscheservice, Gartenpflege. Die Nr. 6 des § 1 Abs. 6 S. 2 VersStDV-E sollte daher wie folgt formuliert werden:

„6. die Versicherungsleistung

  • in der Anleitung,
  • in der Finanzierung oder
  • in der Beratung

            einer Person zur Erbringung von Naturalleistungen besteht. Gleiches gilt für Versicherungsleistungen, die in der Vermittlung derartiger Naturalleistungen oder in sonstigen Leistungen besteht, die Naturalleistungen gegenüber der Risikoperson zum Inhalt haben.“.

VI. Petitum

Aus Sicht des PKV-Verbandes besteht für eine Neuformulierung des Befreiungstatbestandes unter § 4 Nr. 5 VersStG kein Anlass. Es besteht eine gefestigte Praxis. Jedenfalls sollten neue, konkretisierende Voraussetzungen nicht dazu führen, dass auch unter sozialen Aspekten zentrale Formen der Absicherung über eine private Kranken- und Pflegeversicherung der Versicherungsteuerpflicht unterworfen werden.

Die im Sinne des Gesetzesentwurfes missbräuchliche Ausnutzung von Steuervermeidungsmöglichkeiten (insb. Spielerinvaliditäts-, Filmausfall- und Schlüsselkraftversicherungen) sollte in Form konkreter Ausschlusstatbestände umgesetzt werden, ohne gleichzeitig die Steuerbefreiung einer Vielzahl von Versicherungsprodukten zur Absicherung existenzieller Risiken in Frage zu stellen. Wir regen an, die betreffenden Ausnahmen von der Versicherungsteuerbefreiung konkret unter § 4 Nr. 5 S. 2 VersStG abzubilden, wie es bereits für die Unfall- oder Haftpflichtversicherungen der Fall ist, und auf die vollständige, unausgegorene Überarbeitung des Befreiungstatbestandes ohne steuer-materielle Zielsetzung und Notwendigkeit zu verzichten.

Um ein „Bürokratiemonster“ zu vermeiden, sollten die Regelungen so ausgestaltet werden, dass sie auf der Ebene der Versicherungsbedingungen für alle Produkte sicher umgesetzt werden können. In jedem Fall sollte das Erfordernis des „unbedingten Anspruchs“ der Risikoperson bzw. deren Angehörigen (vgl. § 1 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 VersStDV-E) dahingehend konkretisiert werden, dass hierdurch die vom Gesetzesentwurf grundsätzlich nicht in Frage gestellte Steuerbefreiung der Kranken- und Pflegeversicherungen auf der Grundlage der bestehenden Versicherungsbedingungen zweifelsfrei aufrechterhalten bleibt. Monatliche „Ausforschungen“ der privaten Lebensverhältnisse durch den Versicherer sollten unbedingt vermieden werden. Hierzu schlagen wir rein vorsorglich vor, dass in § 1 Abs. 6 Nr. 1 VersStDV-E klargestellt wird, dass der Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Versicherungsnehmers nach § 194 Abs. 3 VVG nicht als Bedingung im Sinne dieser Vorschrift gilt. Auf die Angehörigeneigenschaft käme es entsprechend nur in Sonderkonstellationen an. Gleichzeitig würde der vom Entwurf bezweckte Zusammenhang mit der Absicherung einer natürlichen Person gewahrt. Der Bürokratieaufwand würde massiv beschränkt.

Anstelle einer Erweiterung sollte die VersStDV vollständig aufgehoben werden. Erforderliche Regelung sollten in das VersStG übernommen werden, um nicht zuletzt durchgehend den Willen des parlamentarischen Gesetzgebers zu berücksichtigen.

Ergänzend verweisen wir auf die Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., die wir vollumfänglich unterstützen.

Annex: Betroffene Prozesse in der PKV

Würde der Regierungsentwurf (unverändert) umgesetzt, hätte dies erhebliche finanzielle und operative Belastungen für die PKV-Unternehmen und deren Versicherten zur Folge, welche sich auf den gesamten Prozess der Vertragsabwicklung, von der Antragstellung bis hin zur Leistungsabrechnung, erstrecken, beispielsweise:

  • Anpassung / Neugestaltung der Versicherungsverträge, Tarifbedingungen und Antragsformulare (z. B. Ermittlung des Angehörigenstatus, Verpflichtung zur Mitteilung von Änderungen, zusätzliche datenschutzrechtliche Prozesse)
  • Operative Anforderung und Bearbeitung von Nachweisen zum Angehörigenstatus, einschließlich Anpassung der IT-Systeme (insb. Einführung neuer Datenfelder)
  • Ermittlung des steuerpflichtigen Beitrages nach Status, Zeitpunkt der Begründung des Vertrags bzw. von Vertragsteilen bei späteren Hinzuversicherungen, Zeitpunkt von Umwandlungen
  • Berücksichtigung bei der Tarifierung
  • Kommunikation der neuen Voraussetzungen gegenüber den Versicherten
  • Schulung der Mitarbeiter, insb. Außendienst / Vermittler
  • Neue Steueranmeldungsprozesse (vsl. monatliche Versicherungsteuermeldungen)
  • Einführung bzw. Umstellung auf digitale Übermittlung der Steuererklärungen und -anmeldungen
  • Anpassung der Systeme, um rückwirkende Steuererstattungen bzw. -nachforderungen abzubilden (z. B. verspätete Mitteilung des Entfallens des Angehörigenstatus (bspw. Ehescheidungen))
  • Anpassung und Umsetzung der (Steuer-)Compliance
  • Berücksichtigung der Versicherungsteuer bei Beitragsrückerstattungen, im Mahnverfahren etc.
  • Zusätzlicher Aufwand im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen und bei der Jahresabschlusserstellung (ggf. Steuerrückstellungen)
  • Berichtswesen (z. B. Mitteilungen von Beitragsvolumina gegenüber Behörden (BaFin), Sonderausgabenhöhe für Basisabsicherung (Finanzverwaltung), BAföG-Stellen)