Stellungnahme 08. April 2021

Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung und zu den entsprechenden Anträgen der Fraktionen DIE LINKE sowie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anlässlich der öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 12. April 2021

I. Allgemein

Mit dem Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) soll das Gesundheitswesen zukunftsfähig ausgebaut und die Patientenversorgung weiterentwickelt werden. Hierzu werden umfangreiche Einzelregelungen vorgelegt, die das Ziel eint, die Leistungen, die Qualität sowie die Transparenz der Versorgung zu verbessern.

Insbesondere die Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungsqualität in der stationären Versorgung sind zu begrüßen, dies betrifft auch die beabsichtigten Veränderungen für die Vorgaben zu den Mindestmengen, die eine wichtige Voraussetzung sind, um die Patientensicherheit sowie die Behandlungsqualität zu erhöhen.

Nicht erforderlich erscheinen aus Sicht des PKV-Verbandes die vorgesehenen Neuregelungen beim Notlagen- und Basistarif:

  • Der „Notlagentarif“ ist kein Tarif für sozial schutzbedürftige Menschen, sondern für Nichtzahler. Bei Eintreten von Hilfebedürftigkeit werden die Versicherten in den Basistarif überstellt.
  • Die Einführung eines Direktanspruchs im Notlagentarif ist vor allem ein Schutz der Leistungserbringer vor Forderungsausfall. Die Verschiebung des Liquiditätsrisikos zu Lasten der Versicherer ist systemfremd und vor dem Hintergrund der fehlenden Schutzbedürftigkeit der Versicherten nicht geboten. Zudem entsteht für die PKV-Unternehmen ein erheblicher Verwaltungsmehraufwand.
  • Für die Einführung eines Aufrechnungsverbots des Versicherers im Notlagentarif mit Prämienforderungen gegen eine Forderung des Versicherungsnehmers besteht keine Notwendigkeit. Es wäre zudem ein schwerwiegender Eingriff in die wechselseitigen Vertragsverhältnisse.
  • Ein gesetzliches Aufrechnungsverbot könnte allenfalls für Hilfebedürftige im Basistarif angedacht werden, um deren medizinische Versorgung auf dem Niveau der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. Ein solcher Ausschluss einer Aufrechnung entspricht indes der bisherigen Praxis und ist mithin überflüssig.

Dringend erforderlich ist aus Sicht des PKV-Verbandes eine Lösung für bislang nicht verausgabte Mittel im Rahmen des Pflegestellen-Förderprogramms. Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wurde zum 1. Januar 2019 die Förderung von 13.000 zusätzlichen Pflegestellen in Pflegeheimen eingeführt. Laut Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) wurden im Jahr 2019 von den durch die PPV eingezahlten 44 Millionen Euro nur rund 1,2 Millionen Euro für den gesetzlich vorgesehenen Zweck aufgewendet; im Jahr 2020 nur rund 9,1 Millionen Euro von weiteren 44 Millionen Euro.

Hintergrund ist, dass von den geplanten 13.000 Vollzeitstellen nur 2.403 Stellen besetzt werden konnten. Der PKV-Verband teilt die bekannt gewordene Kritik des Bundesrechnungshofes ebenso wie dessen Lösungsvorschlag, die „anteilige“ Rückzahlung oder Verrechnung der bisher nicht abgerufenen Fördergelder an die GKV und PPV vorzusehen.

Für die verbleibende Laufzeit des Programms sollte auf eine Finanzierung über einen Vergütungszu-schlag umgestellt werden. Entsprechende Vergütungszuschläge werden bereits für die Finanzierung der zusätzlichen Betreuung und der zusätzlichen Pflegehilfskräfte (§§ 84 und 85 SGB XI) vereinbart und durch die Pflegeversicherung gezahlt.

Hinsichtlich der Zukunft der Unabhängigen Patientenberatung, die in den Anträgen auf den Drucksachen 19/27833 und 19/25382 angesprochen wird, plädiert der PKV-Verband für eine Verstetigung des Angebots und eine Finanzierung aus Steuermitteln. Um eine sorgfältige Diskussion der Trägerschaft zu gewährleisten, wird für eine einjährige Verlängerung der Laufzeit des bisherigen Anbieters plädiert.

II. Zum Gesetzentwurf Bundesregierung BT-Drucksache 19/26822

Artikel 1 Nr. 13: Förderung der Koordination in Hospiz- und Palliativnetzwerken

Vorgeschlagene Regelung
Die 401 Kreise und kreisfreien Städte sollen eine Förderung zum Aufbau bzw. zum Unterhalt von regionalen Hospiz- und Palliativnetzwerken erhalten. Dafür sollen von den Krankenkassen bis zu 15.000 Euro pro Jahr und Netzwerk bereitgestellt werden, wenn die jeweilige Kommune sich in gleicher Höhe beteiligt. Die privaten Krankenversicherungen können sich an der Finanzierung beteiligen; in dem Fall erhöht sich die Fördersumme. Das Netzwerk soll sich untereinander austauschen und seine Angebote koordinieren, ebenfalls mit weiteren kommunalen Behörden und kirchlichen Einrichtungen zusammenarbeiten und Erfahrungsaustausch betreiben. Der GKV-Spitzenverband soll bis Ende März 2022 Regeln für die Förderung erstellen.

Bewertung
In den verschiedenen Strukturen der Hospiz- und Palliativversorgung ist immer auch eine Koordination mit anderen an der Versorgung Beteiligten verankert. Für Koordinierungsarbeit werden somit auch schon für die Beteiligten Finanzierungsbeiträge bereitgestellt. Damit sind auch die meisten der Ziele schon adressiert, die in § 39d neu in Absatz 2 Satz 3 Nrn. 1 bis 6 benannt werden. Mit welchen positiven Effekten auf den einzelnen zu betreuenden Patienten dabei zu rechnen ist, wird vom Gesetz nicht adressiert. Die beschriebene Kooperation mit lokalen Einrichtungen wie Altenhilfe, Behörden oder Kirchen zu finanzieren, geht weit über die medizinische Versorgung hinaus. Die Hospiz- und Palliativeinrichtungen sind auch in Verbänden organisiert, die schon einen Austausch miteinander pflegen. Soweit hier Bedarf zur Vernetzung mit weiteren Akteuren gesehen wird, sollte das von den kommunalen Behörden oder der Kirche auch finanziert werden. Es erscheint nicht angemessen, dass kommunale Aufgaben in den Bereich der Finanzierung durch Krankenversicherungen verschoben werden.

Artikel 1 Nr. 20: Ambulante Krebsberatungsstellen

Vorgeschlagene Regelungen
Der durch die Krankenkassen und Krankenversicherungen zu leistende Förderbetrag für ambulante Krebsberatungsstellen wird rückwirkend zum 1. Januar 2021 im Maximalvolumen auf jährlich bis zu 42 Millionen Euro verdoppelt. Zudem soll durch die Krankenkassen künftig nicht mehr die psychoonkologische Krebsberatung, sondern die psychosoziale Krebsberatung für an Krebs erkrankte Personen und ihre Angehörigen gefördert werden.
 
Bewertung
Künftig sollen gesetzliche und private Krankenversicherungen gemeinsam bis zu 80 Prozent der Finanzierung von ambulanten Krebsberatungsstellen pauschal übernehmen. Eine inhaltliche Begründung hierzu erfolgt nicht, vielmehr stellt man darauf ab, dass die finanzielle Belastung zumutbar sei. Inhaltlich und ordnungspolitisch lässt sich nicht überzeugend darlegen, warum Krankenversicherungen soziale Arbeit und Sozialberatung finanzieren müssen. Jegliche Quellen belegen, dass sich nur rund 45 Prozent der Leistungen einer Krebsberatungsstelle dem Aufgabengebiet von Krankenversicherungen zuordnen lassen (Empfehlungspapier des Nationalen Krebsplans; Erkenntnisse des Förderschwerpunktes „Psychosoziale Krebsberatungsstellen“ der Deutschen Krebshilfe; die Erfahrungen der Trägerschaft von ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen durch die Landeskrebsgesellschaften und die Ergebnisse der BMG-geförderten PsoViD-Studie). Es ist daher keineswegs nachvollziehbar, warum Kosten, die sich nicht dem Aufgabengebiet von Krankenversicherungen zuordnen lassen, von diesen getragen werden sollen. Der PKV-Verband regt daher an, die Verdoppelung des Finanzierungsanteils und damit die Finanzierung krankenversicherungsfremder Leistungen zu streichen.

Durch die Formulierung ‚psychoonkologisch‘ war bisher gewährleistet, dass in Einklang mit den oben genannten Quellen den Krankenversicherungen die psychologischen Bestandteile der Krebsberatung zuzuordnen sind. Mit der nun erfolgenden, inhaltlich und ordnungspolitisch nicht nachvollziehbaren Erweiterung auf soziale Beratung und Sozialarbeit, die sich in der Formulierung ‚psychosozial‘ niederschlägt und auch auf Angehörige Anwendung findet, ist dies ein sehr weitgehender Eingriff in das Aufgabenspektrum einer Krankenversicherung. Der PKV-Verband befürwortet daher, die bisherige Formulierung ‚psychoonkologisch‘ beizubehalten.

Artikel Nr. 30 und 39: Grippeimpfstoffversorgung

Vorgeschlagene Regelungen
Aufgrund der anhaltenden SARS-CoV-2-Pandemie wird für die bereits im Januar 2021 erforderlichen Bestellungen von saisonalem Grippeimpfstoff für die Grippesaison 2021/2022 der erhöhte „Sicherheitszuschlag“ von 30 Prozent auch auf die Impfsaison 2021/2022 erstreckt.

Bewertung
Der PKV-Verband begrüßt grundsätzlich alle Maßnahmen, die die Versorgung der Bevölkerung mit Grippeimpfstoff verbessern sollen. Für die Versorgung Privatversicherter ist die vorgesehene Regelung allerdings nicht ausreichend. Insbesondere zu Beginn der vergangenen Grippesaison ist es zu Problemen bei der Versorgung von Privatversicherten mit Grippeimpfstoff gekommen. Häufig wurden Versicherte, die auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung in der Apotheke eine Einzeldosis erwerben wollten, darauf verwiesen, dass das geltende Recht keine rechtssichere Auseinzelung von Einzeldosen aus Großgebinden ermögliche.

Um bei allen Akteuren Rechtssicherheit darüber zu schaffen, dass Auseinzeln rechtssicher nicht nur in Notfällen möglich ist, sollte in Anlehnung an § 1 Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 der SARS-CoV-2-AMVersorgVO folgende Regelung vorgesehen werden:

„Apotheken dürfen ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung im Hinblick auf die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen („Auseinzeln“) abweichen, sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird und die abzugebende Packungsgröße nicht innerhalb einer angemessenen Zeit lieferbar ist.“

Diese Bestimmung könnte als neuer § 17 Abs. 5b ApBetrO verankert werden.  

Artikel 1 Nr. 31: Qualitätsverträge nach § 110a SGB V

Vorgeschlagene Regelung
Die vorgesehenen Regelungen sollen den Abschluss von Qualitätsverträgen stärken. Die Änderungen erhöhen die Verbindlichkeit des Auftrags an die Krankenkassen oder die Zusammenschlüsse von Krankenkassen und nehmen notwendige Ergänzungen der Erprobungsregelung für die Qualitätsverträge vor.

Bewertung
Das Instrument der Qualitätsverträge zwischen Kostenträgern und Krankenhäusern ist auf die GKV zugeschnitten. Allerdings ist es der PKV nicht verwehrt, an solchen Qualitätsverträgen zu partizipieren, und einige private Versicherungsunternehmen tun dies auch, u.a. im Bereich des Weaning. Daher begrüßt der PKV-Verband, dass die Qualitätsverträge im Bereich der GKV gestärkt werden sollen. Dies auch deshalb, weil der Gesetzgeber zur Auffassung gelangt ist, dass qualitätsorientierte Zu- und Abschläge auf absehbare Zeit nicht rechtssicher umsetzbar sein werden, weshalb der G-BA nicht weiter solche Zu- und Abschläge entwickeln und sich stattdessen auf bessere Anreize durch Qualitätsverträge konzentrieren soll. Bisher sind nur wenige Qualitätsverträge geschlossen worden, das soll nun verbessert werden.   

Künftig handelt es sich bei dem Auftrag an die Krankenkassen bzw. deren Zusammenschlüsse, Qualitätsverträge zu erproben, um eine Pflichtaufgabe, der es nachzukommen gilt. Die Vertragslaufzeit der Verträge kann leichter verlängert werden. Zudem bestimmt der Gesetzgeber für die Krankenkassen ein jährliches Ausgabenvolumen zur Erprobung von Qualitätsverträgen und konkretisiert damit die Umsetzungsverpflichtung in finanzieller Hinsicht. Als Richtwert wird 0,30 Euro pro Versicherten vorgegeben. Zudem erhält der G-BA den Auftrag, in den Jahren 2021 bis 2023 vier weitere Leistungen oder Leistungsbereiche festzulegen, bei denen Qualitätsverträge nach § 110a erprobt werden sollen. Zusammen mit den bereits bestehenden vier Leistungsbereichen wird damit die Erprobung von Qualitätsverträgen bei acht unterschiedlichen Leistungen oder Leistungsbereichen für Qualitätsverträge ermöglicht. Überdies erhält der G-BA die Aufgabe, ab dem Jahr 2021 während der Erprobung regelmäßig durch Veröffentlichungen auf seiner Internetseite Transparenz darüber herzustellen, welche Krankenkassen oder Zusammenschlüsse von Krankenkassen Qualitätsverträge abgeschlossen haben. Das ist für die Unternehmen der privaten Krankenversicherung interessant, um sich gegebenenfalls bestimmten Qualitätsverträgen anzuschließen.

Insgesamt sind die Maßnahmen im Bereich der Qualitätsverträge zu begrüßen.

Artikel 1 Nr. 41: Mindestmengen

Vorgeschlagene Regelungen
In § 136b SGB V werden Anpassungen bzgl. der Beschlüsse des G-BA zur Qualitätssicherung im Krankenhaus vorgenommen. Neben einer Förderung der Qualitätsverträge werden insbesondere Änderungen sowie Klarstellungen zur Förderung der Mindestmengenregelung als Qualitätssicherungsmaßnahme vorgenommen.

Bewertung
Die Befugnis des G-BA, insbesondere Ausnahmen für festgelegte Mindestmengen bei nachgewiesener hoher Qualität vorzusehen, wird aufgehoben. Zudem erhält der G-BA die Befugnis, für die Zulässigkeit der Erbringung bestimmter Eingriffe vorzusehen, dass neben der konkreten Mindestmenge dieses Eingriffs auch eine oder mehrere Mindestmengen weiterer Eingriffe erfüllt sind. So könnte beispielsweise die Zulässigkeit der Erstimplantation einer Prothese davon abhängig gemacht werden, dass die Einrichtung neben der für die Erstimplantation geltenden Mindestmenge auch Erfahrung bei dem Revisionseingriff am selben Gelenk durch Erfüllung der geltenden Mindestmenge darlegt. Überdies sollen Mindestanforderungen an Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität in die Mindestmengenregelung des G-BA aufgenommen werden.

Die Stärkung der Mindestmengenregelung und die Abschaffung von Ausnahmetatbeständen sind zu begrüßen. Die Mindestmengen gelten auch bei der Behandlung von Privatpatienten.

Artikel 4 Nr. 1 und Nr. 2: Neuregelungen im Notlagen- und Basistarif (Direktanspruch für Leistungserbringer und Aufrechnungsverbot)

Vorgeschlagene Regelungen
Artikel 4 Nr. 1 sieht vor, den bereits im Basistarif bestehenden Direktanspruch der Leistungserbringer gegenüber dem Versicherer auf Leistungserstattung auch für den Notlagentarif einzuführen. Gem. Artikel 4 Nr. 2 soll es dem Versicherer künftig sowohl im Notlagen- als auch im Basistarif untersagt sein, Prämienforderungen gegen Forderungen des Versicherungsnehmers aufzurechnen.

Bewertung
Bei den in Artikel 4 Nr. 1 und Nr. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG-E) vorgesehenen Änderungen des § 192 Abs. 7 VVG wird ausweislich der Begründung davon ausgegangen, dass die medizinische Versorgung der Versicherten sowohl im Basis- als auch im Notlagentarif nicht gewährleistet ist. Für eine derartige Annahme gibt es hingegen – von wenigen, nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfällen abgesehen – keine Anhaltspunkte. Nach § 75 Abs. 3a S. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auch die ärztliche Versorgung der im Basis- und im Notlagentarif Versicherten mit den in diesen Tarifen versicherten ärztlichen Leistungen sicherzustellen. Diesem Sicherstellungsauftrag kommen die Einrichtungen nach.

Schutzzweck des Notlagen- und Basistarifs
Der Gesetzentwurf strebt parallele gesetzliche Regelungen für den Basis- und den Notlagentarif an. Dabei wird verkannt, dass sich die beiden Tarife nach dem jeweiligen Schutzzweck und der Schutzbedürftigkeit der Versicherten sehr deutlich voneinander unterscheiden:

  • Der Notlagentarif wurde für solche Versicherungsnehmer geschaffen, die – ohne hilfebedürftig zu sein – ihre Beiträge nicht zahlen (s. BT-Drs. 17/1309). Er wurde ausdrücklich nicht für sozial schutzbedürftige Personen geschaffen, bei denen Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder XII vorliegt und entsprechend vom Sozialhilfeträger bescheinigt wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) charakterisiert die Funktion des Notlagentarifs zutreffend in seinem Urteil vom 5. Dezember 2018 (IV ZR 81/18): „Der Notlagentarif ist mithin – anders als der Begriff nahelegt – von vornherein nicht der Tarif für einen bedürftigen Versicherungsnehmer, der grundsätzlich nicht in der Lage ist, seinen Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag nachzukommen und dem wegen seiner finanziellen Verhältnisse Ansprüche auf Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch zustehen. Der Grund für die Nichtzahlung spielt beim Notlagentarif gerade keine Rolle. Es handelt sich bei ihm in der Sache um einen reinen Tarif für Nichtzahler.“

Anders ausgedrückt: Der Notlagentarif ist für Versicherte konzipiert, die die Zahlung der Beiträge grundlos verweigern, nicht für solche, die nicht zahlen können. Insofern mag die Bezeichnung „Notlagentarif“ eine finanzielle Notlage der Versicherten suggerieren, die es nicht gibt. Tatsächlich handelt es sich um einen „Nichtzahlertarif“. Dem Notlagentarif kommt dabei auch der Charakter eines Sanktionsmittels für nicht gezahlte Beiträge zu. Erst mit Zahlung aller rückständigen Beiträge hat der Versicherte – abgesehen vom Eintritt der Hilfebedürftigkeit – das Recht, in seinen Ursprungstarif zurückzukehren und dessen vollen Leistungsumfang zu beanspruchen.

Sowohl die Einführung eines Direktanspruchs der Leistungserbringer gegenüber dem Versicherer auf Leistungserstattung im Notlagentarif (Artikel 4 Nr. 1 GVWG-E) als auch die Einführung eines Aufrechnungsverbots des Versicherers mit Prämienforderungen gegen eine Forderung des Versicherungsnehmers im Notlagentarif (Artikel 4 Nr. 2 GVWG-E) verfolgen ausweichlich der Begründung das Ziel, „die Rahmenbedingungen für die medizinische Versorgung von im Notlagentarif Versicherten zu verbessern, indem das Forderungsausfallrisiko für den Leistungserbringer reduziert und die Akzeptanz, Privatversicherte in diesen Tarifen zu behandeln, erhöht wird.“ Eine solche Zielsetzung verkennt die Charakteristik des Notlagentarifs, welcher eine Schutzbedürftigkeit des Versicherten gerade nicht voraussetzt bzw. erfordert.

  • Der Basistarif bietet besonderen, gesetzlich verankerten Schutz für Versicherte, die hilfebedürftig nach dem SGB II oder SGB XII sind oder es durch Zahlung des Versicherungsbeitrags werden würden. Ihr Beitrag reduziert sich auf die Hälfte des Höchstbeitrags, ihr tariflicher Leistungsanspruch bleibt vollumfänglich bestehen. Der daraus resultierende Fehlbetrag wird per Beitragszuschlag von den übrigen Versicherten aller Unternehmen finanziert, die den Basistarif anbieten. Das Gesetz billigt dem hilfebedürftigen Versicherungsnehmer – ungeachtet etwaiger Beitragsrückstände – mithin den vollen tariflichen Leistungsanspruch zu. Die Hilfebedürftigkeit ist damit Ausdruck der vom Gesetzgeber angenommenen besonderen Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers, der seine finanzielle Bedürftigkeit durch die Bescheinigung des zuständigen Trägers der Sozialversicherung positiv nachweist.

Nicht hilfebedürftige Personen im Basistarif sind indes ebenso wenig schutzbedürftig wie in anderen Tarifen.

Eine unterschiedliche gesetzliche Ausgestaltung von Basis- und Notlagentarif, wie derzeit im VVG verankert, ist im Hinblick auf unterschiedliche Charakteristik der beiden Tarife nicht nur angemessen, sondern geradezu notwendig.

Bei den durch die in Artikel 4 Nr. 1 und Nr. 2 GVWG-E vorgesehenen Änderungen im Basis- und Notlagentarif wird darüber hinaus verkannt, dass diese einseitig die Leistungserbringer zu Lasten der Versichertengemeinschaft der redlichen, beitragszahlenden Kunden, begünstigen.

Einführung eines Direktanspruchs des Leistungserbringers gegen das Versicherungsunternehmen im Notlagentarif (Artikel 4 Nr. 1)

Artikel 4 Nr. 1 GVWG-E sieht vor, den bereits im Basistarif bestehenden Direktanspruch der Leistungserbringer gegenüber dem Versicherer auf Leistungserstattung auch für den Notlagentarif einzuführen. Hiermit soll das Ziel verfolgt werden, den Versicherten im Notlagentarif zu schützen. So heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs: „Die Einführung eines Direktanspruchs ist gerade bei einer Versicherung im Notlagentarif sachgerecht, da es hierbei insbesondere um die medizinische Versorgung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen, bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie für Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche nach gesetzlich eingeführten Programmen und für von der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut empfohlenen Schutzimpfungen geht.“ Anders als beim Basistarif handelt es sich, wie oben dargestellt, bei dem Notlagentarif jedoch gerade um keinen „Sozialtarif“. Darüber hinaus wird übersehen, dass es sich bei der Einführung eines solchen Direktanspruchs in erster Linie um den Schutz der Leistungserbringer vor Forderungsausfall handelt. Eine solche systemfremde Verschiebung des Liquiditätsrisikos zu Lasten der Versicherer und damit letztlich des Versichertenkollektivs ist im Hinblick auf die – wie oben dargelegt – fehlende Schutzbedürftigkeit der Versicherungsnehmer im Notlagentarif nicht gerechtfertigt.

Artikel 4 Nr. 2 GVWG-E sieht vor, dass – soweit der Versicherer im Notlagentarif die aus dem Versicherungsverhältnis geschuldete Leistung entweder an den Leistungserbringer oder an den Versicherungsnehmer erbringt – er von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Leistungserbringer frei wird. Ausweislich der Begründung soll durch diese Regelung der Versicherer vor einer doppelten Inanspruchnahme durch Versicherungsnehmer und Leistungserbringer geschützt werden.

Während es begrüßenswert ist, dass eine Regelung getroffen wird, die den Versicherer vor doppelter Inanspruchnahme schützt, wird dennoch verkannt, dass ein Direktanspruch sowie die Einführung einer gesamtschuldnerischen Haftung von Versicherungsunternehmen und Versichertem gegenüber Leistungserbringern im Ergebnis die Einführung des der PKV fremden „Sachleistungsprinzips“ darstellen.

Die Einführung eines Direktanspruchs verursacht darüber hinaus für die Versicherungsunternehmen der Privaten Krankenversicherung einen nennenswerten Verwaltungsmehraufwand. Sie sähen sich dadurch gegebenenfalls Zahlungsaufforderungen durch Leistungserbringer ausgesetzt, obwohl sie ihre Leistungsverpflichtung gegenüber dem Versicherungsnehmer bereits erbracht haben. Auch wenn nun geregelt ist, dass der Versicherer gegenüber dem Leistungserbringer in dieser Konstellation frei wird, so entsteht durch die entsprechenden Nachweiserfordernisse und ggf. dabei auftretende Diskussionen und Verwaltungsvorgänge mit dem Leistungserbringer ein erhöhter Arbeits- und Zeitaufwand in der Bearbeitung. Ein derartiger Verwaltungsaufwand ist im Notlagentarif bisher nicht einkalkuliert. Letztlich würde das Kollektiv zusätzlich und unverhältnismäßig belastet.

Einführung eines Aufrechnungsverbots des Versicherers mit Prämienforderungen gegen eine Forderung des Versicherungsnehmers im Basis- und Notlagentarif (Artikel 4 Nr. 2 GVWG-E)

Für die in Artikel 4 Nr. 2 GVWG-E vorgesehene Einführung eines Aufrechnungsverbots des Versicherers mit Prämienforderungen gegen eine Forderung des Versicherungsnehmers besteht weder im Basis- noch im Notlagentarif eine Notwendigkeit noch erscheint eine solche angemessen.

Aufrechnungsverbot im Notlagentarif

  • Hinsichtlich des Notlagentarifs hat dies der BGH in seiner oben zitierten Entscheidung vom 5. Dezember 2018 wie folgt zusammengefasst: „Ziel der Einführung des Notlagentarifs war es, die Beitragsschuldner vor weiterer Überschuldung zu schützen, gleichzeitig ihre Notfallversorgung zu gewährleisten und das Kollektiv der Versichertengemeinschaft finanziell zu entlasten (BT-Drucks. 17/13079 S. 6). Diese Ziele werden auch im Falle einer zulässigen Aufrechnung nicht vereitelt.“

Das Ziel, den Beitragsschuldner vor weiterer Überschuldung zu schützen, wird dadurch erreicht, dass die Versicherung nicht im bisherigen Tarif oder im Basistarif, sondern im Notlagentarif mit geringeren Beiträgen fortgesetzt wird. Entsprechend wird einer weiteren Überschuldung für die Zukunft vorgebeugt.

Auch für das vom Gesetzgeber bei Einführung des Notlagentarifs verfolgte Ziel einer Gewährleistung einer Notfallversorgung bedarf es keines Aufrechnungsverbots. Vielmehr wird diese bereits durch die bestehenden gesetzlichen Regelungen gesichert: Zunächst bleibt dem Versicherungsnehmer auch im Notlagentarif der Versicherungsschutz erhalten. Eine Kündigung des Versicherungsvertrags ist gem. § 206 Abs. 1 S. 1 VVG trotz des Beitragsrückstandes ausgeschlossen. Ist der Versicherungsnehmer wegen seiner finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage, die Forderungen der Leistungserbringer selbst zu begleichen, sieht das Gesetz eine Lösung über § 193 Abs. 6 S. 5 VVG vor: Das Ruhen des Vertrages tritt nicht ein oder endet bei Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII. Der Eindruck, den die in Artikel 4 Nr. 2 GVWG-E vorgesehene Änderung erweckt, nur durch ein Aufrechnungsverbot könne ein Mindestmaß an medizinischer Versorgung gewährleistet werden, geht mithin fehl.

Ist der Versicherungsnehmer im Einzelfall trotz fehlender Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 193 Abs. 6 S. 5 VVG nicht in der Lage bzw. nicht willens, Forderungen medizinischer Leistungserbringer selbst zu bezahlen, weil der Versicherer seine Leistungspflicht aus dem Notlagentarif durch Aufrechnung mit ihm weiterhin zustehenden Prämienforderungen erfüllt, fällt dies in seinen Risikobereich, nicht in die des Kollektivs.

Ein generelles Aufrechnungsverbot stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die wechselseitigen Vertragsverhältnisse dar und wäre daher allenfalls für Fälle schwerster Erkrankungen des Versicherungsnehmers, in denen erkennbar ist, dass die Nichtzahlung der Beiträge nicht auf dessen fehlendem Zahlungswillen beruht, geeignet.

  • Im Übrigen wird verkannt, dass ein Aufrechnungsverbot im Notlagentarif sogar eine kontraproduktive Wirkung entfalten kann. So wird vielfach durch die Aufrechnung eine Rückkehr in den Ursprungstarif ermöglicht und damit ein Zugang zur Normalversorgung.
  • Das Aufrechnungsverbot soll offenbar die Leistungserbringer schützen, obwohl Angaben über Zahlungsausfälle nicht gemacht werden. In dem Zusammenhang ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund das Unternehmensrisiko der Leistungserbringer, das in der Einzelleistungsvergütung mitvergütet wird, auf die Versichertengemeinschaft übergehen soll.
  • Letztlich bleibt das Aufrechnungsverbot zum Schutz der Leistungserbringer indes wirkungslos. Es zwingt zwar den Versicherer zur Auszahlung an den Versicherungsnehmer; ob dieser damit die Rechnung des Leistungserbringers bezahlt, d.h. ob die Versicherungsleistung zweckentsprechend verwendet wird, ist aber vollkommen offen. Im Gegenteil: gerade bei den Versicherten des Notlagentarifs bestehen häufig generelle Liquiditätsprobleme und die Versicherten verwenden die Gelder für andere Zwecke der Lebensführung.
  • Das Aufrechnungsverbot des Versicherers umfasst nach dem vorgesehenen Wortlaut sämtliche Forderungen des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsverhältnis. Gegen eine derart weite Fassung bestehen erhebliche Bedenken. Sie schließt beispielsweise auch aus, dass der Versicherer gegen Forderungen des Versicherungsnehmers aufrechnet, die sich nicht auf Versicherungsleistungen beziehen, sondern etwa auf Rückzahlung von Beiträgen.
  • Das Verbot einer Aufrechnung im Notlagentarif würde, entgegen der Charakteristik als „Nichtzahlertarif“, zu einer Besserstellung der Versicherten gegenüber Versicherten in „Normaltarifen“, bei denen eine Aufrechnung nach § 394 S. 2 BGB zulässig ist, führen. Eine solche Besserstellung nicht schutzbedürftiger Versicherungsnehmer ist grundlos und damit nicht gerechtfertigt.
  • Letztlich wird auch das Aufrechnungsverbot, wie die Einführung des Direktanspruchs, eine Verteuerung des Notlagentarifs nach sich ziehen. Das ursprüngliche gesetzgeberische Ziel bei Einführung  des Notlagentarifs, den Versicherten vor weiterer Überschuldung zu schützen, wird damit ad absurdum geführt.

Aufrechnungsverbot im Basistarif
Auch für die Einführung eines Aufrechnungsverbots im Basistarif besteht keine Notwendigkeit.

  • Ein solches könnte allenfalls im Hinblick auf die im Basistarif versicherten hilfebedürftigen und mithin schutzbedürftigen Personen angedacht werden, um deren medizinische Versorgung auf dem Niveau der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. Ein solcher Ausschluss einer Aufrechnung entspricht indes der bisherigen Praxis und ist mithin überflüssig.

Der PKV-Verband schließt seit Einführung des brancheneinheitlichen Basistarifs eine Aufrech-nungsbefugnis dann aus, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder SGB XII ist. Ein solches Aufrechnungsverbot ergibt sich aus der Tatsache, dass das Gesetz dem hilfebedürftigen Versicherungsnehmer ungeachtet etwaiger Beitragsrückstände den vollen tariflichen Leistungsanspruch zubilligt. Dies, und nicht eine den Ruhensleistungen entsprechende Notfallversorgung, ist der zu gewährende Mindestschutz. Die Hilfebedürftigkeit ist damit Ausdruck der vom Gesetzgeber angenommenen besonderen Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers, der seine finanzielle Bedürftigkeit durch die Bescheinigung des zuständigen Trägers der Sozialversicherung positiv nachweist und sich da-mit von säumigen Versicherungsnehmern, deren Leistungsanspruch ohne solche Gründe ruhend gestellt wird, unterscheidet.

Für die Gesetzliche Krankenversicherung findet sich diese Wertung im Gesetz wieder: Gemäß § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen nur bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig wird.

  • Im vorliegenden Gesetzentwurf wurde nicht berücksichtigt, dass das vorgesehene Aufrechnungsverbot im Basistarif auch zu Gunsten derjenigen Versicherten greifen würde, die nicht hilfebedürftig sind. Eine derartige Besserstellung gegenüber Versicherten in „Normaltarifen“, bei denen eine Aufrechnung nach § 394 S. 2 BGB zulässig ist, ist nicht gerechtfertigt und lässt sich auch nicht mit dem im Gesetzentwurf formulierten Ziel begründen. Der Gesetzesentwurf ist in jedem Fall in dieser Hinsicht abzuändern.

Abschließend machen wir darauf aufmerksam, dass die gleichzeitige Einführung sowohl eines Aufrech-nungsverbots im Notlagentarif als auch eines Direktanspruchs über das Ziel hinausschießt, die Rahmenbedingungen für die medizinische Versorgung von im Notlagentarif Versicherten zu verbessern. Eine solche gesetzliche Regelung wäre daher unangemessen. Der Versicherte im Notlagentarif wäre – obwohl er wie dargestellt ausdrücklich nicht schutzbedürftig ist – durch ein Aufrechnungsverbot hinreichend davor geschützt, Forderungen medizinischer Leistungserbringer selbst zu bezahlen. Eines Direktanspruchs des Leistungserbringers bedürfte es mithin nicht.

III. Zu den Änderungsanträgen Ausschuss-Drucksache 19(14)310

Änderungsantrag 12: Befristetes Beitragszuschlagsrecht für die PPV

Vorgeschlagene Regelung
Die Private Pflegepflichtversicherung ist mit 7 Prozent der Kosten an den Aufwendungen gem. § 150 Abs. 4 S. 5 beteiligt. Diese zeitlich befristeten Mehraufwendungen werden voraussichtlich eine Größenordnung von bis zu 10 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben erreichen und können nicht in die Prämienkalkulation der privaten Versicherungsunternehmen einbezogen werden. Zu ihrer Finanzierung wird den Versicherungsunternehmen für den Zeitraum vom 1. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2022 ein zeitlich befristetes Recht eingeräumt, einen Zuschlag zur Versicherungsprämie in der privaten Pflege-Pflichtversicherung zu erheben.

Bewertung
Der PKV-Verband begrüßt die Regelung. Die Unternehmen, die die PPV betreiben, werden von der Möglichkeit des Beitragszuschlags Gebrauch machen, wenn sich zeigen sollte, dass ein Bedarf dafür besteht. Eine abschließende Beurteilung dazu wird erst nach Überwindung der Pandemie möglich sein.

Änderungsantrag 14: Beleihung des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus

Vorgeschlagene Regelung
Das InEK wird mit den ihm zustehenden Aufgaben beliehen. Damit wird dem InEK für dessen Handeln und mithin für die Bewältigung seiner vielfältigen Aufgaben ein umfassender und rechtssicherer Rahmen gegeben, aufgrund dessen es seiner eigenständigen Tätigkeit nachkommen kann.

Bewertung
Die vorgesehenen Regelungen, mit denen klare und rechtssichere Regelungen zum Verwaltungshan-deln des InEK eingeführt werden, sind zu begrüßen. Als Gesellschafter des InEK ist der PKV-Verband daran interessiert, dass das InEK eine klare Zuständigkeit für Verwaltungsakte und Widerspruchsverfahren erhält.

IV. Weiterer gesetzlicher Anpassungsbedarf

Pflegestellen-Förderprogramm: Anteilige Rückzahlung nicht abgerufener Mittel

Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wurde zum 1. Januar 2019 die Förderung von 13.000 zusätzlichen Pflegefachkraftstellen in Pflegeheimen eingeführt. Die Finanzierung erfolgt durch jährliche Vorabzahlungen der GKV in Höhe von 640 Millionen Euro und der Privaten Pflegepflichtversicherung (PPV) in Höhe von 44 Millionen Euro an den Ausgleichsfonds der Sozialen Pflegeversicherung. Laut Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) wurden im Jahr 2019 von den durch die PPV eingezahlten 44 Millionen Euro nur rund 1,2 Millionen Euro für den gesetzlich vorgesehenen Zweck aufgewendet; im Jahr 2020 nur rund 9,1 Millionen Euro von weiteren 44 Millionen Euro.

Der Bundesrechnungshof hat laut Medienberichten das Finanzierungsverfahren in dem Bericht für den Bundestag vom 11. März 2021 deutlich kritisiert. Denn die Pauschalen sind von GKV und PPV ohne Rücksicht auf das konkrete Antrags- und Ausgabenvolumen, d. h. ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Finanzbedarf zu leisten. Dies führte absehbar und vermeidbar zu hohen Ausgaberesten. Von den von GKV und PPV insgesamt eingezahlten ca. 1,4 Milliarden Euro blieb bis Ende September 2020 noch ca. 1 Milliarde Euro ungenutzt. Grund hierfür ist, dass zu diesem Zeitpunkt von den geplanten 13.000 Vollzeitstellen nur 2.403 Stellen besetzt wurden. Der PKV-Verband teilt die Kritik des Bundesrechnungshofes ebenso wie dessen Lösungsvorschlag, die „anteilige“ Rückzahlung der bisher nicht abgerufenen Fördergelder an die GKV und PPV vorzusehen.

Die hierfür erforderlichen gesetzlichen Regelungen sollten umgehend geschaffen werden. Dies sollte insbesondere erfolgen, um die Versicherten zu entlasten. Die Finanzierung der Mittel hat spürbare Auswirkungen auf die Höhe der Beiträge zur PPV, ohne dass die Versicherten einen Vorteil haben.

In § 8 Abs. 9 SGB XI (und entsprechend in § 37 Abs. 2a SGB V) sollte hierzu eingefügt werden, dass ge-zahlte, aber nicht verbrauchte Mittel zurückzuzahlen oder zu verrechnen sind. Durch den Bundesrechnungshof wird zudem vorgeschlagen, die Ausrichtung der Pauschalleistungen möglichst flexibel und am tatsächlichen Bewilligungsvolumen gesetzlich vorzusehen. Auch dem kann aus Sicht der PKV nur zugestimmt werden. Solange das Förderprogramm noch läuft, sollten die Zahlungen zukünftig daher idealerweise nachschüssig an den Ausgleichsfonds durch GKV und PPV gezahlt werden. Überzahlungen würden dadurch von vornherein vermieden. Auch eine solche Regelung sollte ebenfalls unverzüglich erfolgen.

Auch wenn das Förderprogramm perspektivisch ausläuft, lohnt es sich, für die verbleibende Zeit auf eine Finanzierung über einen Vergütungszuschlag umzustellen. Entsprechende Vergütungszuschläge werden bereits für die Finanzierung der zusätzlichen Betreuung und der zusätzlichen Pflegehilfskräfte (§§ 84 und 85 SGB XI) vereinbart und durch die Pflegeversicherung gezahlt. Dies würde zu einer Vereinheitlichung der Regelungen und Finanzierungsverfahren für zusätzliches Personal führen und die oben genannten Vorschläge des Bundesrechnungshofs mit umfassen. Durch eine Finanzierung über Zuschläge kann auch eine Verbesserung der Transparenz für die Verbraucher über die wirklichen Kosten der Pflege und Betreuung erreicht werden, auch wenn eine Finanzierung durch die Pflegeversicherung oder andere Kostenträger  (Beihilfe) erfolgt. Zudem könnte durch eine Umstellung der bürokratische Aufwand, der hier auch durch den GKV-Spitzenverband und durch die Verbände der Leistungserbringer kritisiert wird, reduziert werden.

Hierzu sollte in § 84 SGB XI eine neue Regelung über einen „Vergütungszuschlag für die zusätzliche Unterstützung der Leistungserbringung der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen“ getroffen werden, die sich an die Zuschläge nach § 84 Abs. 8 und 9 SGB XI anlehnt. Zusätzlich wäre die Zuständigkeit zur Vereinbarung der Zuschläge entsprechend der bisherigen Förderkriterien in § 85 SGB XI aufzunehmen.

Vereinfachung der bisherigen Regelungen zur Finanzierung von Corona-Mehrkosten

Die aktuelle gesetzliche Regelung sieht vor, dass zur Finanzierung von nicht anderweitig finanzierten Mehrkosten, die auf Grund des Coronavirus SARS-CoV-2 im Rahmen der voll-/ teilstationären Behandlung von Patientinnen und Patienten entstehen, die vom 1. Oktober 2020 bis einschließlich 31. Dezember 2021 in das Krankenhaus aufgenommen werden, ein Zuschlag je voll- oder teilstationären Fall vereinbart werden soll. Diese Verhandlungen sollen krankenhausindividuell geführt werden. Die Vertragsparteien auf Bundesebene sollen Vorgaben machen, welche Kosten durch diesen Zuschlag nach § 5 Absatz 3i zu finanzieren sind, und zu den Anforderungen an den Nachweis des Vorliegens der Kosten; ebenfalls sollen sie Empfehlungen für die Kalkulation der Kosten abgeben.

Die Umsetzung der bestehenden gesetzlichen Regelungen wird absehbar zu sehr schwierigen und langwierigen Verhandlungen auf der Ebene jedes Krankenhauses führen, da die Abgrenzung von krankenhausindividuellen Mehrkosten aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2, die nicht anderweitig finanziert sind, eine komplexe Aufgabe darstellt. Gleiches gilt auch für die Abgrenzung der zugrundeliegenden Kostenarten (zum Beispiel persönliche Schutzausrüstung, Mehrkosten aufgrund besonderer Anforderungen an die Versorgung, Hygiene und Abfallentsorgung), die ja nach Krankenhausituation und –struktur und dem Versorgungsumfang von Covid-19 Patienten erheblich variieren.

Um zu einer zügigen und möglichst bundeseinheitlichen Lösung zu kommen, wird vorgeschlagen, die aktuelle gesetzliche Regelung zu überarbeiten und durch bundeseinheitliche Pauschalen zu ersetzen. Dabei werden in begrenztem Umfang Öffnungsklauseln vorgesehen, die bei einer deutlichen Unter-/Überschreitung eines Krankenhauses ermöglichen, von den Pauschalen abweichende Zuschläge vorzusehen.

Darüber hinaus wird mit der gesetzlichen Anpassung angeregt, zur Sicherstellung der Liquidität im Jahr 2021 vorläufige Zuschläge auf Bundesebene zu vereinbaren. Abweichungen zwischen den vorläufigen Zahlungen und der tatsächlichen Höhe auf Grundlage der differenzierten Pauschalen sollen vollständig im Rahmen der nächstmöglichen Budgetvereinbarung ausgeglichen werden.

Zwischen den Vertragsparteien auf Bundesebene wurde zur Umsetzung dieser gemeinsamen Auffassung der nachfolgende Vorschlag zur Gesetzesänderung erarbeitet.

Änderungsvorschlag

Im KHEntgG werden § 5 Abs. 3i und § 9 Abs. 1a Nr. 9 gestrichen.

Im KHG wird nach § 21 KHG folgender § 21a eingefügt:
„(1) Für die Finanzierung von nicht anderweitig finanzierten Mehrkosten, die aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 im Rahmen der voll- oder teilstationären Behandlung von Patientinnen und Patienten entstehen, die vom 1. Januar 2021 bis einschließlich 31. Dezember 2021 in das Krankenhaus aufgenom-men werden, erhalten zugelassene Krankenhäuser einen Zuschlag. Pflegepersonalkosten in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen und Investitionskosten sind bei der Ermittlung der Zuschläge nicht zu berücksichtigen. Die Höhe des Zuschlagsanspruchs des Krankenhauses für die Finanzierung nicht anderweitig finanzierter Mehrkosten nach Satz 1 wird nach den Vorgaben der Absätze 2 und 3 frühzeitig nach Ablauf des Kalenderjahres 2021 durch die Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 spätestens im Rahmen der nächstmöglichen Budgetvereinbarung vereinbart. Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, entscheidet die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 auf Antrag einer der Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2. Die Krankenhäuser rechnen in dem nach Absatz 1 Satz 1 vorgegebenen Zeitraum vorläufige Zuschlagsbeträge entsprechend den Vorgaben der Vertragsparteien nach § 17b Absatz 2 in den Vereinbarungen nach Absatz 5 ab.

(2) Zur pauschalen Abgeltung nicht anderweitig finanzierter Mehrkosten vereinbaren die Vertragsparteien nach § 17b Absatz 2 bis zum XX.XX.2021 für definierte Zuschlagsgruppen pauschale Zuschlagsbeträge. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 1 nicht fristgerecht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 6 innerhalb von sechs Wochen.

(3) Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus weist auf der Basis der Vereinbarung nach Absatz 2 die Zuordnung der Krankenhäuser zu den Zuschlagsgruppen aus und kann bei der Ermittlung pauschaler Zuschlagsbeträge unterstützend einbezogen werden. Es veröffentlicht auf Basis der Datenliefe-rungen nach § 24 Absatz 2 und bei Bedarf nach § 21 KHEntgG für jedes Quartal eine Zuordnung zu den Zuschlagsgruppen, die auf seiner Internetseite für jedes Krankenhaus unter Nennung des Namens und des Institutionskennzeichens des jeweiligen Krankenhauses und soweit möglich für jeden Standort eines Krankenhauses gesondert ausgewiesen werden.

(4) Die Vertragsparteien nach § 18 Absatz 2 können einen höheren oder niedrigeren Zuschlagsanspruch nach Absatz 1 Satz 3 vereinbaren, wenn die nicht anderweitig finanzierten Mehrkosten nach Absatz 1 nachweislich erheblich über oder unter den nach den Vorgaben der Vereinbarung nach Absatz 2 ermittelten Summe der pauschalen Zuschlagsbeträge liegen. Das Krankenhaus hat auf Verlangen der anderen Vertragsparteien nach § 18 Absatz 2 die nicht anderweitig finanzierten Mehrkosten anhand geeigneter Nachweise darzulegen. Die Vertragsparteien auf Bundesebene treffen in der Vereinbarung nach Absatz 2 nähere Vorgaben dazu, wann eine von den pauschalen Zuschlagsbeträgen abweichende Vereinbarung in Betracht kommt und welche Anforderungen an den Nachweis zu stellen sind.

(5) Zur Sicherung der Liquidität vereinbaren die Vertragsparteien nach § 17b Absatz 2 vorläufige Zu-schlagsbeträge. Weicht die Summe der nach Absatz 1 Satz 5 abgerechneten vorläufigen Zuschlagsbeträge von dem Zuschlagsanspruch des Krankenhauses nach Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit Absatz 4 ab, werden die Mehr- oder Mindererlöse vollständig im Rahmen der nächstmöglichen Budgetvereinba-rung ausgeglichen.“

 

V. Zu Anträgen BT-Drucksache 19/27833 + BT-Drucksache 25382

Vorgeschlagene Regelungen
Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag auf Drucksache 19/27833 die Bundesregierung auf, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Unabhängigkeit der Patientenberatung gewährleistet und dauerhaft in gemeinnützige und patientenorientierte Trägerschaft legt. Dabei soll die Finanzierung über den Bund erfolgen, mit der Organisation sollen diejenigen Patientenorganisationen nach § 140f SGB V beauftragt werden, die sich mit institutioneller Patientenberatung beschäftigen. Die UPD soll speziell mit barrierefreien Informationsangeboten ausgestattet werden.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag auf Drucksache 19/25382 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Gründung einer von Leistungserbringern, Kostenträgern und privaten Unternehmen unabhängigen Patientenstiftung vorsieht. Die Stiftung soll von den nach § 140f SGB V maßgeblichen Patienten- und Verbraucherorganisationen und der Selbsthilfe sowie künftig weiteren geeigneten Organisationen von Patientinnen und Patienten getragen werden. Die Finanzierung soll „von den gesetzlichen Krankenkassen unabhängig“ sein. Zudem soll die regionale Vernetzung mit anderen Bera-tungsangeboten gefördert und damit auch Probleme an den Schnittstellen zwischen den Sozialgesetzbüchern angegangen werden.

Bewertung
Die Unternehmen der Privaten Krankenversicherung unterstützen ihre Versicherten umfassend mit Beratungs- und Informationsleistungen zu leistungs- und versicherungsrechtlichen Fragen, aber auch allen weiteren Fragen rund um das Thema Gesundheit. Zusätzlich leisten die PKV-Unternehmen durch die Finanzierung der gemeinnützigen, unabhängigen Stiftung Gesundheitswissen einen wichtigen Beitrag, um alle Bürger durch qualifizierte Informationen in ihrer Entscheidungskompetenz zu stärken.

Dessen ungeachtet finanziert die PKV aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung seit 2011 die UPD mit. Der PKV-Verband stellte der UPD entsprechend dem Anteil der Privatversicherten im Jahr 2016 630.000 EUR zur Verfügung. Das entspricht im Verhältnis der Höhe der Fördersumme nach § 65b Abs. 2 SGB V, mit welcher der GKV-Spitzenverband die UPD fördert. In den Jahren 2017 bis 2022 erhöht sich dieser Betrag analog der prozentualen Veränderung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV im Vorjahr.

Die privaten Versichertengelder erhält die UPD zusätzlich zu den gesetzlichen Finanzmitteln. Die Mittel der PKV dienen dem Zweck der muttersprachlichen Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund sowie der kultursensiblen Fortbildung der Beraterinnen und Berater der UPD.

Nach fast 10 Jahren Regelförderung der UPD gibt es Erkenntnisse – u. a. aus der wissenschaftlichen Begleitforschung - die für strukturelle Änderungen ohne befristete Vergabe sprechen. Hierzu zählen  insbesondere die aus der aktuellen Verpflichtung zur regelmäßigen Neuausschreibung resultierenden Probleme (insbesondere der Erfahrungs- und Wissensverlust und die Personalfluktuation am Ende der Laufzeit). Der PKV-Verband spricht sich dafür aus, die grundsätzliche Entscheidung über eine Neuaufstellung der UPD in die neue Legislaturperiode zu verschieben, um eine umfassende und sorgfältige Diskussion über das von der Patientenbeauftragten in Auftrag gegebene Gutachten zu ermöglichen. Vorgeschlagen wird eine gesetzliche Flankierung einer einjährigen Laufzeitverlängerung der aktuellen UPD, um damit die sonst zwingend notwendige Ausschreibung zu verhindern.

Ziel einer Neuaufstellung sollte eine dauerhafte Institution sein, die als versicherungsfremdes Angebot aus Steuermitteln finanziert wird. Die UPD muss fachlich neutral gegenüber allen Beteiligten und unabhängig von jeglichen Organisationsinteressen beraten. Dies schließt eine Verknüpfung des UPD-Angebotes mit der Wahrnehmung von Beratungs-, Unterstützungs- und Vertretungsaufgaben im Zusammenhang mit gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen auf anderer Rechtsgrundlage aus.

Es bedarf weiterhin auf jeden Fall einer wissenschaftlichen Begleitforschung, die ihre Erkenntnisse zum jeweiligen Entwicklungsstand unter Berücksichtigung von Qualität, Neutralität und Unabhängigkeit der Beratung in ein Begleitgremium – wie dem aktuellen Beirat – zur externen Bewertung einbringt. Ein Schwerpunkt sollte dabei auf die Beratung von vulnerablen Gruppen gelegt werden.