Ausbremsen des medizinischen Fortschritts
Durch das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung kommen neue Behandlungs- und Diagnosemöglichkeiten schneller ins gemeinsame Versorgungssystem. Das liegt an der Rolle der PKV als Innovationsmotor: Ärztinnen und Ärzten können bei Privatversicherten jederzeit innovative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anwenden, sofern medizinische Notwendigkeit vorliegt. Langwierige Genehmigungsprozesse gibt es in der Privaten Krankenversicherung nicht. Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass innovative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden schneller auch in der Regelversorgung der gesetzlich Versicherten ankommen. Im Gegenzug stärkt die GKV mit ihren großen Datenmengen die Qualitätssicherung für alle. Im Ergebnis profitieren die Menschen in Deutschland schneller zum Beispiel von neuen Krebsmedikamenten als der Rest Europas.
Dass medizinische Innovationen in der ambulanten Versorgung von der PKV teilweise deutlich früher als in der Gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden, bestätigt die Studie eines Teams um den renommierten Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Jürgen Wasem. Ein Beispiel: Für eine spezielle Stoßwellentherapie bei Fersenschmerzen lag die Genehmigung für die Erstattung durch die GKV im Jahr 2019 vor. Erste PKV-Unternehmen erstatteten die Kosten für diese Behandlungsmethode aber bereits im Jahr 2002. Die schnellere Erstattung durch die PKV erhöht wiederum die Begründungspflicht, solange die jeweiligen Methoden nicht Teil der Regelversorgung sind. Der Systemwettbewerb stärkt damit die innovative Versorgung aller Patienten.
Die PKV begünstigt die Einführung medizinischer Innovationen noch aus einem anderen Grund. Denn die Entscheidung, ob Arztpraxen in neue Diagnose- und Behandlungsmethoden investieren, hängt entscheidend davon ab, nach wie vielen Monaten oder Jahren sich die Anschaffung wirtschaftlich rechnet. Weil die PKV die Behandlungskosten für Privatversicherte ohne Budgetierungen und oft zu höheren Honoraren erstattet, beeinflusst sie auch diese Refinanzierungsdauer positiv. Das zeigt eine Analyse des Datendienstleisters Rebmann Research. Ein Beispiel aus der Augenheilkunde: Eine Investition in die optische Kohärenztomografie (OCT) zur Diagnostik und Therapiesteuerung bei Netzhauterkrankungen ist im heutigen dualen Gesundheitssystem nach 1,8 Jahren refinanziert. Bei einem einheitlichen Vergütungsrahmen nach GKV-Regeln dauerte es dagegen 5,4 Jahre.
In einer Bürgerversicherung oder einem einheitlichen Vergütungssystem würden diese Systemvorteile wegfallen. Das Fazit: Ohne PKV würde es manch moderne Therapie nicht geben